Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)
Versöhnung veranlaßte er bereits Ende Dezember 1799 eine großzügige Amnestie für die Rebellen der Vendée. In den Genuß einer Amnestie kamen im April 1802 auch die meisten Emigranten, soweit sie einen Treueid auf die Republik leisteten. Bonaparte ermöglichte auf diese Weise vielen Adligen und Geistlichen die Rückkehr nach Frankreich.
Dem inneren Ausgleich diente auch das im gleichen Monat, dem April 1802, in Kraft getretene Konkordat mit dem Papst. Die Kirche verzichtete darin auf die Rückgabe der Kirchengüter, der Staat sagte eine angemessene Besoldung des Klerus zu. Der Erste Konsul ernannte die Bischöfe, die kanonische Weihe aber erhielten sie vom Papst. Ein Treueid verpflichtete die Bischöfe, nichts gegen die Regierung zu unternehmen und dieser alles mitzuteilen, was der Kirche über staatsfeindliche Umtriebe bekannt wurde. Politische Opposition wurde auch außerhalb der Kirche nicht geduldet. Schon Anfang 1800 waren vier Fünftel aller Pariser Zeitungen verboten worden; die verbliebenen Blätter unterlagen einer strengen Zensur. Royalisten und Jakobiner ließ der Erste Konsul über das dichte Spitzelnetz seines Polizeiministers Fouché, eines der Hauptverantwortlichen für die Massenhinrichtungen in Lyon im Oktober 1793, überwachen; aktiver Widerstand hatte, je nach der Schwere des Falles, Haft, Deportation oder Guillotinierung zur Folge.
Für das Selbstbewußtsein der Franzosen war das Gefühl wiedergewonnener Ruhe im Innern wichtig. Mindestens ebenso wichtig aber waren militärische Erfolge im Kampf gegen die Verbündeten. Im Jahre 1800 erfochten die französischen Truppen eine Reihe von Siegen über die Österreicher, darunter den von Marengo am 14. Juni unter Napoleons Führung. Die Folge war, daß sich das Habsburgerreich im Februar 1801 genötigt sah, in den Frieden von Lunéville einzuwilligen. Er bestätigte im wesentlichen, worauf sich beide Mächte bereits im Oktober 1797 im Frieden von Campoformio verständigt hatten: Kaiser Franz II. verzichtete auch im Namen des Reiches zugunsten Frankreichs auf das linke Rheinufer, außerdem auf Belgien und die Lombardei; er erkannte die Holländische («Batavische»), die Helvetische, die Cisalpinische und die Ligurische Republik an. Im März 1802 folgte nach langwierigen Verhandlungen der Friede von Amiens mit England. Die Briten verzichteten auf die Inseln in der Karibik, die sie Frankreich in den Kriegsjahren abgenommen hatten; Ägypten sollte dem Osmanischen Reich, Malta dem Johanniterorden zurückgegeben werden.
Damit endete nach vier Jahren der zweite Koalitionskrieg. Der Erste Konsul hätte stolz und zufrieden sein können. Er hatte Ziele erreicht, die schon Staatsmänner und Könige des Ancien régime wie Richelieu und Ludwig XIV. angestrebt hatten: die als «natürlich» betrachtete Grenze am Rhein und die unbestrittene Hegemonie über den europäischen Kontinent. Nur zur See gab es noch eine überlegene Macht, England, und eben damit wollte sich Napoleon Bonaparte nicht abfinden. «Sein Dämon ließ ihn keine weitere, ebenbürtige Macht dulden», schreibt Johannes Willms in seiner 2005 erschienenen Biographie Napoleons. «Deshalb wurde auch der Friede von Amiens wie schon der von Lunéville nur ein Waffenstillstand, eine letzte Atempause, bevor er den Krieg anzettelte, der ihm jene ‹Universalmonarchie› bescheren sollte, die offenbar sein Denken und Streben schon immer beherrscht hatte.»
Innenpolitisch ließ sich der Erfolg der beiden Friedensschlüsse trefflich nutzen. Im Mai 1802 setzte Napoleon Bonaparte gegen Widerstände im Staatsrat, im Tribunal und im Gesetzgebenden Körper eine Einrichtung durch, mit der er bewußt an aristokratische Traditionen der Monarchie anknüpfte: die Ehrenlegion. Wer in sie aufgenommen wurde, und das waren zunächst vor allem Offiziere, erhielt damit den höchsten Orden der Republik und durfte sich zur Elite der Nation rechnen. Im gleichen Monat entschied sich Bonaparte, den Franzosen in einem Plebiszit die Frage vorzulegen, ob sie ihn als Konsul auf Lebenszeit haben wollten. Bei einer Wahlbeteiligung von rund 40 Prozent sprachen sich über 3,5 Millionen Stimmberechtigte dafür und nur etwas über 8000 dagegen aus.
Die Proklamation zum Konsul auf Lebenszeit am 3. August 1802 wurde tags darauf durch einen Senatsbeschluß («Sénatus-consulte») ergänzt, der tatsächlich auf eine neue Verfassung hinauslief. Sie sah vor, daß in die neu geschaffenen Wahlkollegien auf der Ebene von Kantonen,
Weitere Kostenlose Bücher