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Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)

Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)

Titel: Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich August Winkler
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Frankreich und Rußland weniger erwünscht, von Preußen, das mit der Preisgabe des linksrheinischen Deutschland im Baseler Sonderfrieden von 1795 die territoriale Neuordnung des Reiches unwillentlich angestoßen hatte.
    Seit dem Westfälischen Frieden von 1648 hatten fremde Mächte nicht mehr so viel Einfluß auf die inneren Zustände im Heiligen Römischen Reich genommen wie beim Reichsdeputationshauptschluß von 1803. Er änderte die inneren Kräfteverhältnisse in Deutschland grundlegend. Verlierer waren die katholischen, Gewinner die evangelischen Reichsstände. Die Erzbischöfe von Köln und Trier waren keine Kurfürsten mehr. Von den neuen Kurfürstentümern Württemberg, Baden, Hessen-Kassel und Salzburg waren die drei erstgenannten evangelisch und nur Salzburg katholisch. Die Folge war, daß es nunmehr in der ersten Kurie des Reichstags (wie im Reichstag insgesamt) ein evangelisches Übergewicht gab. Die Stellung Österreichs war geschwächt, das Ansehen von Reich und Kaiser auf einem Tiefpunkt angelangt. In seiner staatlichen Zersplitterung wirkte Deutschland, verglichen mit einem Nationalstaat wie Frankreich, noch immer wie ein Überrest des Mittelalters. Aber infolge des machtpolitischen Eingriffs des Ersten Konsuls, des neuen Schutzherrn der deutschen Mittelstaaten, war es doch wesentlich übersichtlicher geworden.
    Nachdem er alles getan hatte, die Begriffe Kaiser und Reich in Deutschland zu entwerten, schickte sich Napoleon Bonaparte an, sie in Frankreich heimisch zu machen. Seit langem trachtete er danach, seiner Herrschaft zu einer höheren Legitimität zu verhelfen. In einer Welt, in der noch immer Monarchen an der Spitze der meisten Staaten standen, konnte ein «Erster Konsul» nicht so glänzen, wie er, Napoleon Bonaparte, es wollte. Eine Rückkehr zum Königtum kam nach allem, was in Frankreich seit 1789 geschehen war, nicht in Frage. Anders war es beim Kaisertum. Den Kaisertitel, den höchsten aller weltlichen Titel, hatten sich im 10. Jahrhundert, zur Zeit Ottos des Großen, die Deutschen gesichert. Aber spätestens seit dem Dreißigjährigen Krieg stand hinter dem Begriff «Kaiser» keine wirkliche Macht mehr, und für das «Reich» galt dasselbe. Wenn er, Napoleon Bonaparte, sich zum Kaiser der Franzosen machte, dann entsprach das aus seiner Sicht nur der Stellung, die er für sich und sein Land inzwischen erkämpft hatte. Dann würde er auch die Herrschaft über Frankreich in seiner Familie halten können, am besten durch Vererbung an einen leiblichen Sohn, den ihm seine Frau Joséphine aber noch nicht geboren hatte, gegebenenfalls aber durch Adoption eines Neffen.
    Mit dem Sénatus-consulte vom 4. August 1802, der es dem Ersten Konsul erlaubte, dem Senat einen Nachfolger zu präsentieren, war Napoleon Bonaparte seinem Ziel einen großen Schritt nähergekommen. Aber erst knapp zwei Jahre später war nach seiner Meinung die Zeit reif für den Übergang zum bonapartistischen Erbkaisertum. Am 30. April 1804 ließ er einen ehemaligen Jakobiner im Tribunat den Antrag stellen, den gegenwärtigen Ersten Konsul, Napoleon Bonaparte, zum Kaiser der Franzosen zu erklären und gleichzeitig zu beschließen, daß die kaiserliche Würde in seiner Familie erblich sei. Der Antrag wurde mit überwältigender Mehrheit angenommen (nur Carnot stimmte dagegen), und am 4. Mai faßte der Senat einen Beschluß desselben Inhalts. Napoleons Proklamation zum Erbkaiser erfolgte drei Wochen später, durch Senatsbeschluß vom 18. Mai 1804. Im Monat darauf wurde dieser Sénatus-consulte samt einer genauen Erbfolgeregelung durch ein Plebiszit bestätigt: Bei einer Wahlbeteiligung von rund 40 Prozent stimmten etwa 3,5 Millionen Franzosen dafür und nur 2569 dagegen.
    Mit der verfassungsmäßigen Einführung des Kaisertums verwandelte sich Frankreich in das Empire français. Der Kaiser umgab sich mit einem Hofstaat, in dessen Mittelpunkt er und seine engsten Verwandten standen. Die Familie Bonaparte bildete nunmehr nach den Häusern Capet, Anjou und Bourbon die vierte Dynastie Frankreichs. Napoleon sorgte dafür, daß zwei seiner Brüder sich «Prince Français» nennen durften; er verlieh Verwandten und engen Mitarbeitern prunkvolle Titel wie «Archichancelier de l’Empire», «Grand Electeur» oder «Grand Maitre de Cérémonies»; er ernannte verdiente Heerführer zu «Ehrenmarschällen». Ein Senatsbeschluß vom 14. August 1804 ermöglichte die erbliche Übertragung von Gütern, die ein Bürger Frankreichs als

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