Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)
Franz II. Der Sieg sicherte das politische überleben Napoleons. In den Tagen vor Austerlitz schien der Zusammenbruch der Banque de France unmittelbar bevorzustehen. Hätte der Kaiser die Schlacht verloren, wäre die finanzielle Katastrophe unabwendbar gewesen und in ihrem Gefolge wohl auch der Sturz Napoleons. Die Nachricht vom Triumph des 2. Dezembers rettete die französische Staatsbank und mit ihr das Empire français. Diese innenpolitische Wirkung von Austerlitz ermöglichte erst die außenpolitischen Wirkungen des Sieges, und die ließen nicht lange auf sich warten.
Am 26. Dezember 1805, rund drei Wochen nach der Dreikaiserschlacht, schlossen Frankreich und Österreich den Frieden von Preßburg, dem heutigen Bratislawa, ab. Die Habsburgermonarchie mußte Venetien an das Königreich Italien abtreten; Bayern erhielt von Österreich unter anderem Trient, Tirol und Vorarlberg und durfte sich außerdem die freie Reichsstadt Augsburg einverleiben. Bayern und Württemberg wurden Königreiche, Baden ein Großherzogtum. Auch Württemberg und Baden konnten ihr Territorium vergrößern: Sie Übernahmen die bisher vorderösterreichischen Gebiete und die Besitzungen der Reichsritterschaft. Salzburg wurde zur Entschädigung Österreich zugeschlagen. Der Dritte Koalitionskrieg war damit beendet; der Krieg Frankreichs mit Rußland und England ging weiter.
«Mit Austerlitz beginnt die napoleonische Herrschaft über Europa»: In diesem Satz faßt Johannes Willms die Bedeutung des 2. Dezember 1805 zusammen. Der Sieg in Mähren schuf die Voraussetzungen für die Errichtung jenes Grand Empire, in dem der Wille Napoleons die Quelle aller politischen Macht war. Zu diesem Imperium gehörten außer dem Kaiserreich Frankreich die neuen Monarchien, an deren Spitze enge Verwandte des Kaisers standen: in den Königreichen Neapel und Holland seine Brüder Joseph und Louis, im neugeschaffenen Großherzogtum Berg sein Schwager Murat.
Einen anderen Teil des Grand Empire bildeten die 16 Staaten des «Dritten Deutschland», darunter die Kriegsgewinner Bayern, Württemberg und Baden, die sich am 12. Juli 1806 für souverän erklärten, vom Reich lossagten und in einem Defensiv- und Offensivbündnis fest an Frankreich banden. Damit war das Ende des Alten Reiches besiegelt. Am 1. August erklärten die Rheinbundstaaten vor dem Reichstag in Regensburg gemeinsam ihren Austritt aus dem Heiligen Römischen Reich. Fünf Tage danach, am 6. August 1806, legte Franz II., einem Ultimatum Napoleons nachgebend, die Reichskrone nieder und entband alle Reichsstände von ihren Pflichten. Als Kaiser von Österreich war er nunmehr Franz I.
Die Auflösung des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation löste keinen Aufschrei der Empörung aus. Es gab zwar noch Reichspatrioten, die Trauer empfanden angesichts des schmachvollen Endes dieses traditionsreichen Gebildes, aber sie waren eine kleine Minderheit. Die meisten Deutschen ließ das Ereignis vom 6. August 1806 gleichgültig. Das Reich war seit langem nur noch ein Schatten seiner selbst gewesen. Es hatte nach dem Westfälischen Frieden eine gewisse Bedeutung für den Ausgleich der konfessionellen Gegensätze und die Beilegung von Streitigkeiten zwischen den kleineren Reichsständen gehabt. Die tatsächliche Macht aber lag bei den Territorialstaaten, und der Gegensatz zwischen den beiden größten unter ihnen, Österreich und Preußen, ließ das Reich im 18. Jahrhundert immer mehr als das erscheinen, was es war: ein Überbleibsel aus längst vergangenen Zeiten, ein Anachronismus. Für eine Reform an Haupt und Gliedern fehlte die wichtigste Voraussetzung: der Wille der maßgeblichen Kräfte, am bestehenden Zustand etwas zu ändern.
Auch in den letzten Jahren des Alten Reiches hatten sowohl Preußen als auch Österreich das Wohl des Ganzen den eigenen Interessen immer wieder rücksichtslos untergeordnet. Der Preisgabe des linksrheinischen Deutschland durch Preußen im Sonderfrieden von Basel folgte zwei Jahre später, im Oktober 1797, die Anerkennung dieses Schritts durch Österreich. Am 15. Dezember 1805, zwei Wochen nach der Schlacht von Austerlitz, schloß Preußen einen Bündnisvertrag mit Napoleon und ließ sich von diesem gegen den Verzicht auf Ansbach, Neuchâtel und den rechtsrheinischen Teil von Kleve die Annexion des inzwischen von preußischen Truppen besetzten Hannover bestätigen – ein Bruch des Reichs- wie des Völkerrechts, den Großbritannien mit einer Kriegserklärung an Preußen
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