Geschichte des Westens
23. August 1927 wurden Sacco und Vanzetti trotz internationaler Proteste auf dem elektrischen Stuhl hingerichtet. Die posthume Rehabilitierung der beiden italienischen Anarchisten erfolgte ein halbes Jahrhundert später, im Juli 1977, durch den Gouverneur von Massachusetts, den Demokraten Michael Dukakis.
Wenn es ein Thema gab, das die amerikanische Öffentlichkeit in den Jahren 1919/20 noch mehr bewegte als der «Red Scare», dann war es die Prohibition. Am 16. Januar 1920 trat, nachdem die notwendigen verfassungsändernden Mehrheiten im Kongreß und in den einzelstaatlichen Parlamenten zustande gekommen waren, das 18. Amendment zur Verfassung von 1787 in Kraft. Es verbot die Herstellung, den Verkauf und den Transport alkoholischer Getränke in den USA. Die Prohibition war ein altes Anliegen der Temperenzler von der Anti-SaloonLeague, der evangelikalen Fundamentalisten, vor allem jener aus den ländlichen Gegenden des Südens und des Mittleren Westens, vieler Frauenverbände und schließlich auch des Progressive Movement, der großen Reformbewegung des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Die erforderlichen Mehrheiten auf nationaler wie auf einzelstaatlicher Ebene kamen nur zustande, weil Senatoren und Abgeordnete von der Anti-Alkohol-Lobby unter massiven Druck gesetzt worden waren.
In der Praxis erwies sich das Alkoholverbot als nicht durchsetzbar. Von der großen Mehrheit der Bevölkerung wurde es abgelehnt und mißachtet. An die Stelle der verbotenen «Saloons» traten illegale, als private Clubs getarnte Kneipen, die sogenannten «speak easy»-Lokale. An der Schwarzbrennerei und dem Alkoholschmuggel über die mexikanische und kanadische Grenze verdiente das organisierte Verbrechen. Nach dem scharfen, aber zutreffenden Urteil des Politikwissenschaftlers und Juristen Ernst Fraenkel war die Prohibition «der vielleicht größte politische Narrenstreich der amerikanischen Geschichte». Sie untergrub, so Fraenkel, «die Rechtsmoral der Nation, förderte das Gangsterwesen, korrumpierte den Staatsapparat und brachte das Land an den Abgrund eines administrativen Chaos». Das Kapitel Prohibition endete im Jahre 1933 zu Beginn der Präsidentschaft von Franklin Delano Roosevelt, als die öffentliche Meinung das 21. Amendment erzwang. Es hob das 18. Amendment auf, gestattete es aber den Einzelstaaten, den Transport oder die Einfuhr von alkoholischen Getränken durch Gesetze zu verbieten.
Ein gutes halbes Jahr nach dem 18. Amendment, im August 1920, trat das 19. Amendment in Kraft. Es brachte den Frauen endlich das Recht, für das die amerikanischen Suffragetten seit Jahrzehnten gekämpft und das sie bis 1914 bereits in elf Bundesstaaten durchgesetzt hatten: das Recht, an Wahlen unter denselben Bedingungen teilzunehmen wie Männer. Die ersten Präsidentschaftswahlen, bei denen die Frauen ihre Stimme abgeben konnten, waren die vom November 1920. Aus ihnen gingen die Republikaner als überlegene Sieger hervor, obwohl ihr Kandidat, der konservative Senator Warren G. Harding aus Ohio, sich zuvor politisch in keiner Weise hervorgetan hatte und als unbeschriebenes Blatt galt. Sein «running mate» für das Amt des Vizepräsidenten war der Gouverneur von Massachusetts, Calvin Coolidge, der «Held» des Bostoner Polizeistreiks vom September 1919. Auf das demokratische «Ticket», auf dem der Gouverneur von Ohio, JamesM. Cox, und, als Kandidat für das Amt des Vizepräsidenten, der junge Assistant Secretary des Marineministeriums, Franklin Delano Roosevelt, standen, entfielen lediglich 34 Prozent der Wählerstimmen: das bisher schlechteste Ergebnis eines Präsidentschaftskandidaten einer der beiden großen Parteien. Der Triumph der Republikaner war Ausdruck einer überwältigenden Sehnsucht nach Rückkehr zur Normalität – jener amerikanischen «normalcy», von der Harding gern sprach und in der er seine Absage an den idealistischen Internationalismus der Wilson-Jahre bündelte.
Die Amtszeit Hardings dauerte nur etwas über zwei Jahre: Sie endete mit seinem Tod am 2. August 1923, der Folge von zwei Herzinfarkten. In die Amtszeit von Wilsons Nachfolger fielen Betrugs- und Korruptionsskandale, in die der Innen- und der Justizminister verwickelt waren. Der spektakulärste Fall war der des Innenministers, des bisherigen Senators von New Mexico, Albert B. Fall. Er hatte sich von Harding die Kontrolle über Ölreserven der Marine in Wyoming und Kalifornien übertragen lassen und diese dann insgeheim gegen
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