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Geschichte des Westens

Geschichte des Westens

Titel: Geschichte des Westens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich August Winkler
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Umtauschverhältnis von 1 Billion Papiermark gleich 1 Rentenmark fest, womit der Vorkriegsstand des Wechselkurses von Mark und Dollar wieder erreicht war.
    Das Opfer der Rentenmark war das Rheinland. Das besetzte Gebiet mußte bis zur Einführung der goldgedeckten Reichsmark am 30. August 1924 mit kommunalem Notgeld als Zahlungsmittel zurechtkommen, wurde also vom Reich weitgehend sich selbst überlassen. Vergeblich hatte der Kölner Oberbürgermeister Konrad Adenauer, ein Politiker des Zentrums, am 13. November protestiert, «das Rheinland müsse mehr wert sein als ein oder zwei oder selbst drei neue Währungen». Der Reichsregierung erschien die Gefahr, daß das Rheinland sich vorübergehend, in welcher Form auch immer, institutionell verselbständigen könne, als das kleinere Übel, verglichen mit dem wirtschaftlichen Zusammenbruch, der ganz Deutschland drohte, wenn die neue Währung durch die fortdauernde Totalsubventionierung des okkupierten Territoriums ruiniert wurde.
    Seit dem 25. Oktober 1923 zeichnete sich noch ein anderes «Wunder» ab. An jenem Tag ließ der französische Ministerpräsident Raymond Poincaré dem britischen Premierminister Andrew Bonar Law mitteilen, daß er unter bestimmten Bedingungen bereit sei, einer Überprüfung der Reparationsfrage zuzustimmen. Damit griff der Pariser Regierungschef einen von London übernommenen Vorschlag auf, den der amerikanische Außenminister Charles Hughes Ende Dezember 1922 vor der American Historical Association in New Haven gemacht hatte: die Erörterung der Reparationsfrage auf einer internationalen Expertenkonferenz unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Leistungskraft Deutschlands. Poincarés Bedingungen waren folgende: Ein Expertengremium war durch die Alliierte Reparationskommission zu berufen; die Höhe der deutschen Reparationsschuld, wie sie das Londoner Ultimatum vom Mai 1921 dem Reich auferlegt hatte, sollte vom Ergebnis der Untersuchung unabhängig sein; ein zweites Expertengremium hatte Höhe und Verbleib der deutschen Auslandsdevisen festzustellen. Nachdem auch die USA diesem Vorschlag zugestimmt hatten, brachte Paris am 13. November in der Reparationskommission offiziell den Antrag ein, die beiden Kommissionen einzusetzen. Damit waren die Weichen für den (nach dem Vorsitzenden der Reparationskommission, dem amerikanischen Bankier Charles G. Dawes, benannten) Dawes-Plan gestellt – dem Reparationsabkommen von 1924, das untrennbar mit dem wirtschaftlichen Aufschwung Deutschlands in den mittleren zwanziger Jahren verknüpft ist.
    Die Kehrtwendung Poincarés hatte viele Ursachen: Die Ruhrbesetzung war für Frankreich zu einer großen, die Währung gefährdenden Belastung geworden; der innenpolitische Widerstand von links, vor allem von seiten der Sozialisten und Kommunisten, war immer massiver geworden; außenpolitisch hatte sich Frankreich zunehmend isoliert, wobei besonders die Verschlechterung des Verhältnisses zu Großbritannien ins Gewicht fiel. Noch wichtiger aber war ein anderer Grund: Am 23. Oktober hatte der amerikanische Außenminister Hughes Poincaré zu erkennen gegeben, daß die USA eine französische Beteiligung an der internationalen Expertenkommission honorieren und die Diskussion der Reparationsfrage mit dem Problem der interalliierten Schulden verbinden werde. Frankreich durfte also erwarten, daß es durch ein gewisses Entgegenkommen gegenüber seinem SchuldnerDeutschland seine eigene Position als Schuldner der Vereinigten Staaten verbessern würde.
    Sein Ziel, das Rheinland vom Reich abzutrennen, gab Poincaré mit der Kurskorrektur in der Reparationsfrage noch nicht auf. Am gleichen Tag, an dem er die britische Regierung über die neue politische Linie Frankreichs informierte, entschied er sich für die aktive und offizielle Förderung der Autonomiebestrebungen im besetzten Gebiet. Tatsächlich gab es seit dem 21. Oktober in einer Reihe von Orten, darunter Aachen, Trier, Koblenz, Bonn und Wiesbaden, Versuche, eine «Rheinische Republik» auszurufen. Von der französischen und belgischen Besatzungsmacht wurden die separatistischen Umtriebe unterstützt, nicht jedoch von breiten Kreisen der Bevölkerung. Im preußischen Rheinland wie in der zu Bayern gehörenden Pfalz war schon im November 1923 abzusehen, daß es zu einer freiwilligen Loslösung vom Reich nicht kommen würde. Im Dezember wies Poincaré den Vorsitzenden der Hohen Alliierten Kommission für die Rheinlandgebiete, Paul Tirard, an, die

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