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Geschichte des Westens

Geschichte des Westens

Titel: Geschichte des Westens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich August Winkler
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besiegelt. Die Regierung zog sie zurück.
    Eine Verfassung, die aus den Schwächen und dem Versagen des früheren parlamentarischen Systems Konsequenzen zog und den Grund für eine funktionstüchtige repräsentative Demokratie legte, und ein Wahlgesetz, das der Wahlmanipulation örtlicher oder zentraler Autoritäten und der Zersplitterung der Parteien einen Riegel vorschob, hätte das Ende der Militärdiktatur, zugleich aber auch eine Art nachträgliche Rechtfertigung derselben bedeutet. Zu diesem historischen Schritt war Primo de Rivera nicht bereit und wohl auch nicht fähig. Fatal aber war für ihn letztlich der Verlust der Unterstützung durch das Militär, hervorgerufen durch eine Heeresreform, die den Offiziers- und Mannschaftsbestand massiv vermindern sollte. Am 26. Januar 1930 sah sich der Diktator genötigt, den zehn regionalen Generalkapitanen die Vertrauensfrage zu stellen. Sie fiel negativ aus. Alfons XIII. veranlaßte Primo de Rivera daraufhin am 28. Januar zum Rücktritt. Der gestürzte Machthaber begab sich ins freiwillige Exil nach Paris, wo er knapp sieben Wochen später an seiner Zuckerkrankheit starb.
    Sein Nachfolger, General Dámaso Berenguer, ein politischer Gegner Primo de Riveras und bisher Chef des Königlichen Militärkabinetts, machte die Heeresreform rückgängig und entließ zahlreicheBeamte, die sein Vorgänger eingesetzt hatte. Die von Berenguer proklamierte Rückkehr zur Verfassung von 1876 wies keinen Ausweg aus der Krise. Im August 1930 schlossen sich republikanische und sozialistische Politiker mit Führern der katalanischen Linken im «Pakt von San Sebastián» zu einem Bündnis für Reformen und die Einführung der Republik zusammen. Maßgebliche Intellektuelle wie Ortega und der nach Spanien zurückgekehrte Marañon sprachen sich nunmehr offen für die Republik aus, und auch im Heer begannen sich die republikanisch gesinnten Offiziere organisatorisch zusammenzuschließen.
    Am 18. Februar 1931 wurde Berenguer durch Admiral Juan Bautista Aznar abgelöst, der auch den früheren liberalen Ministerpräsidenten Graf Alvaro de Romanones in sein Kabinett aufnahm und Berenguer als Kriegsminister behielt. Bei den Gemeindewahlen vom 12. April 1931 (die die Regierung ausschrieb, um Wahlen auf nationaler Ebene noch hinausschieben zu können) siegten die Republikaner und Sozialisten in den größeren Städten, während auf dem Lande (und damit in Spanien insgesamt) die Monarchisten die Oberhand gewannen. Die Regierung mit Aznar an der Spitze betrachtete den Wahlausgang in einer panikartigen Reaktion als Plebiszit für die Republik. Tatsächlich wurde in mehreren Städten, darunter in Madrid, die Republik ausgerufen – die Zweite Republik, denn schon einmal, 1873/74, war Spanien eine Republik gewesen. Dem Ultimatum eines Revolutionskomitees unter Niceto Alcalá Zamora beugte sich am 14. Dezember auch König Alfons XIII.: Er verließ Spanien, ohne auf seine Thronrechte zu verzichten, auf dem Seeweg von Cartagena nach Marseille.
    Der Sturz der Monarchie war das Ergebnis des Unvermögens der Militärdiktatur, die Probleme zu lösen, an denen das parlamentarische System 1923 gescheitert war: die Agrarfrage, das Verhältnis von Zentralgewalt und Regionen, die Stellung von Kirche und Militär, die Durchsetzung des staatlichen Gewaltmonopols gegenüber den Kräften der Anarchie. Die letzteren traten bereits kurz nach dem Regimewechsel den Beweis an, daß sie aus der Geschichte nichts gelernt hatten: Auf Gerüchte hin, die Monarchisten bereiteten Anschläge auf die Republik vor, wurden in der Nacht zum 11. Mai 1931 in Madrid, anschließend auch in anderen Teilen Spaniens und besonders in Andalusien zahllose Klöster und Kirchen niedergebrannt.
    Aus den Wahlen zu den Verfassunggebenden Cortes am 28. Juni 1931 gingen die Sozialisten mit 114 Sitzen als stärkste Fraktion hervor;zusammen mit den linksrepublikanischen Parteien, auf die 125 Abgeordnete entfielen, und regionalistischen Gruppen verfügten sie über eine regierungsfähige Mehrheit. Die Opposition bestand aus 89 antisozialistischen und antiklerikalen Radikalen sowie aus zersplitterten Gruppen von Liberalen, Rechtsrepublikanern, Agrariern und Traditionalisten (oder Karlisten). Die Monarchisten hatten zum Boykott der Wahlen aufgerufen und waren im Parlament nicht vertreten.
    Am 9. Dezember 1931 nahm die Konstituante mit 175 gegen 59 Stimmen die Verfassung der spanischen Republik an. Sie war liberal und strikt laizistisch

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