Geschichte des Westens
gehalten, stellte ausdrücklich fest, daß der spanische Staat keine offizielle Religion habe, wies religiösen Bekenntnisgemeinschaften den Status von Vereinen zu, beseitigte den bisherigen Haushalt für die Geistlichkeit, gab allen Männern und Frauen, die das 23. Lebensjahr vollendet hatten, das gleiche aktive und passive Wahlrecht, schützte das Privateigentum, erlaubte aber eine Enteignung, in der Regel gegen Entschädigung, zum Zweck des sozialen Nutzens und ließ die Bildung autonomer Regionen innerhalb des spanischen Einheitsstaates zu. Der Präsident der Republik wurde von den Mitgliedern der Cortes und von einer gleich großen Zahl von Wahlmännern und -frauen auf die Dauer von sechs Jahren gewählt; er hatte, abgesehen vom Recht der Parlamentsauflösung, überwiegend repräsentative Funktionen. Die Minister hingen vom Vertrauen der Cortes ab. Im Interesse der Staatssicherheit konnte die Regierung bestimmte Grundrechte durch eine Verordnung vorbehaltlich der nachträglichen Zustimmung der Cortes zeitweise außer Kraft setzen.
Spanien hatte, so schien es, seine autoritäre Transformation hinter sich und eine demokratische Zukunft vor sich. Doch die antirepublikanische Rechte besaß, auch wenn sie auf eine parlamentarische Vertretung verzichtet hatte, noch immer einen starken Rückhalt in der Gesellschaft, und das nicht nur in deren obersten Schichten. Die republikanischen Kräfte waren ihrerseits zutiefst in sich gespalten. Das zeigte sich schon bei der Agrarreform von 1932. Die bürgerlichen Republikaner wollten das enteignete Land der Großgrundbesitzer an landarme Bauern verteilen; ihre sozialistischen Koalitionspartner erstrebten eine Verstaatlichung und kollektive Bewirtschaftung der Latifundien. Das Gesetz vom September 1932 war ein Kompromiß: Es gab der Regierung weitreichende Enteignungsbefugnisse, überließ die Frage der privaten oder kollektiven Bewirtschaftung des enteignetenBodens aber den Landgemeinden, was zu einer erheblichen Verzögerung bei der praktischen Umsetzung der Reform führte und wachsende Unzufriedenheit in der Landbevölkerung zur Folge hatte.
Auch die Sozialisten waren in sich gespalten: Der Parteivorsitzende und Präsident der Cortes, Julián Besteiro, wollte die Verwirklichung der sozialistischen Gesellschaftsordnung dem demokratischen Prozeß, also einer ferneren Zukunft überlassen. Arbeitsminister Francisco Largo Caballero hingegen, der 1932 an die Spitze des PSOE trat, bewegte sich unter dem Eindruck des Wachstums der anarchosyndikalistischen CNT nach links und wurde immer mehr zum Verfechter eines kompromißlosen Klassenkampfes, ja der Diktatur des Proletariats. Einig waren sich die Sozialisten und die Linksrepublikaner, die seit Dezember 1931 mit dem scharf antiklerikalen Manuel Azaña y Diaz den Ministerpräsidenten der Koalitionsregierung stellten, immerhin in der Katalonien-Frage: Am 9. Dezember 1932 erhob das «Katalanische Institut» das Katalanische neben dem Spanischen zur Amtssprache; Katalonien erhielt ein eigenes Parlament, eine eigene Regierung, die Generalitat, und eine weitreichende Verwaltungsautonomie.
Auf der gemäßigten Rechten formierte sich im Februar 1933 unter Führung des Rechtsanwalts José Maria Gil Robles y Quiñones die Confederación Española de Derechas Autónomas (CEDA), eine christlich-konservative Partei, die die Frage Republik oder Monarchie offen hielt und sich an der päpstlichen Soziallehre orientierte, also eine berufsständische Erneuerung der Gesellschaft befürwortete. Die CEDA bildete einen Teil der Acción Popular, einer konservativen Sammlungsbewegung, in der Gil Robles ebenfalls eine maßgebende Rolle spielte. Rechts von der CEDA standen die Monarchisten, die sich teils in der Alfons XIII. ergebenen Renovación Española, teils bei den «Karlisten», den Anhängern der absoluten Monarchie, sammelten.
Weit radikaler noch traten die milizartig organisierten, im Oktober ins Leben gerufenen Juntas de Ofensiva Nacional-Sindicalista (JONS) auf, die sich für eine umfassende Rekatholisierung Spaniens einsetzten. Die äußerste Rechte aber bildeten nicht sie, sondern die Falange Española, ein im Oktober 1933 von José Antonio Primo de Rivera, dem Sohn des Diktators, gegründeter, dem Beispiel der italienischen Faschisten nacheifernder Kampfverband. Im Februar 1934 schlossen sich die JONS und die Falange unter Führung José Antonio Primo de Riveras zu einer einzigen Organisation zusammen: der FalangeEspañola de las
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