Geschichte des Westens
Cordell Hull in Montevideo ausdrücklich, daß kein Staat das Recht habe, sich in die Angelegenheiten eines anderen einzumischen. Roosevelt bekräftigte diese Position wenige Tage später zur Freude der Lateinamerikaner durch eine klare Absage an eine Politik der bewaffneten Intervention. Diese Linie galt freilich auch gegenüber brutalen Diktaturen wie der Rafael Trujillos in der völlig von den USA abhängigen Dominikanischen Republik. Ihrer einzigen überseeischen Kolonie, den Philippinen, die sie im Krieg von 1898 Spanien abgenommen hatten, gewährten die Vereinigten Staaten durch die Verabschiedung des Tydings-McDuffie Act im März 1934 den Status eines autonomen «Commonwealth», das nach Ablauf von zehn Jahren in die Unabhängigkeit entlassen werden sollte. Für diesen Schritt sprachen vor allem finanzielle Gründe. In Japan freilich wurde der Kongreßbeschluß als Zeichen dafür verstanden, daß Amerika sich zu einem Rückzug aus Asien entschlossen hatte.
Ein Jahr, nachdem die ersten New-Deal-Gesetze in Kraft getreten waren, war die erste Euphorie längst verflogen. Die meiste Kritik zog die National Recovery Administration auf sich. Die Gewerkschaften waren unzufrieden mit der weitgehenden Folgenlosigkeit der Bestimmungen, die die tarifliche Lohnvereinbarung betrafen; die Unternehmer beklagten sich über die ständigen Einmischungen der Regierung; für die Verbraucher waren die steigenden Preise der Stein des Anstoßes. «Progressives» unter den Republikanern wie die Senatoren William Borah aus Idaho und Gerald Nye aus North Dakota sahen in den codes Mittel zur Unterdrückung von Kleinbetrieben und zur Förderung der Monopolbildung. Selbst Präsident Roosevelt gewannmehr und mehr den Eindruck einer Überregulierung durch die NRA. Im September 1934 veranlaßte er General Johnson zum Rücktritt. Sein Nachfolger Donald Richberg war ein enger Vertrauter des Präsidenten. Er bemühte sich fortan um Lösungen, von denen er sicher sein konnte, daß sie von «big business» mitgetragen werden würden. Die Public Works Administration, die unter der Leitung von Innenminister Harold Ickes stand, war inzwischen von der NRA organisatorisch abgetrennt worden.
Wenn es im ersten Jahr des New Deal noch eine breite Unterstützung der Maßnahmen der Regierung gegeben hatte, begann dieser Rückhalt 1934 zu bröckeln. Roosevelts «Maklerstaat» (broker state), eine amerikanische Variante des Korporativismus, stieß nicht nur bei Großindustrie und Banken, sondern auch bei konservativen Demokraten, bis hin zum Präsidentschaftskandidaten von 1928, «Al» Smith, auf Widerspruch. Im August 1944 artikulierte sich der Protest in der Gründung der American Liberty League, in der Konzerne wie Du Pont und General Motors über großen Einfluß verfügten. Unter den Demokraten, die sich der neuen Vereinigung anschlossen, waren auch solche, die es Roosevelt besonders verübelten, daß seine Regierung, ein demokratisches Wahlkampfversprechen erfüllend, 1933 durch das 21. Amendment einen Schlußstrich unter das Kapitel Prohibition gezogen hatte.
Die American Liberty League beschwor den Geist der amerikanischen Verfassung, der allen ausländischen Regierungssystemen wie Kommunismus, Nationalsozialismus und Faschismus weit überlegen sei. Es gelte, so erklärte ihr Vorsitzender, Jouett Shouse, im November 1934, gegenüber subversiven Theorien und fremdartigen Doktrinen den «fundamental Americanism» aufrechtzuerhalten. Gemeint war damit die freie, nicht von der staatlichen Bürokratie regulierte Unternehmerwirtschaft im Sinne des Manchesterkapitalismus – eine liberale Idylle, die angesichts der Weltwirtschaftskrise notwendigerweise reaktionäre Züge annahm. In der Tat schlug die American Liberty League ernsthaft vor, alle direkten Fürsorgefälle dem Roten Kreuz zu übertragen. Für alle übrigen hieß das Allheilmittel «Selbsthilfe».
Weitaus massiver als die Aktivität der Liberty League war die Agitation des Pressemagnaten William Randolph Hearst, der sich 1933 binnen kurzem von einem Anhänger zu einem Gegner Roosevelts gewandelt hatte. Daß die Regierung sich in die Privatwirtschaft «einmischte»,setzte sie bereits dem Verdacht aus, kommunistisch infiltriert zu sein. Gegen den Kommunismus aber mußte mit allen Mitteln vorgegangen werden, und das in Europa getan zu haben, war das ausgiebig gewürdigte Verdienst Mussolinis und Hitlers. In den Vereinigten Staaten sah Hearst, wie er im November 1934 die Chefredakteure seiner
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