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Geschichte des Westens

Geschichte des Westens

Titel: Geschichte des Westens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich August Winkler
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des rechten Flügels getrennt hatte, Luftfahrtminister der Neosozialist Marcel Déat. Der relative Ruck nach links sicherte der Regierung bei der Abstimmung über die Vertrauensfrage die Zustimmung der Sozialisten; die Kommunisten enthielten sich erstmals bei einer solchen Abstimmung der Stimme.
    Am 27. Februar ratifizierte die Kammer, am 4. März dann der Senat den innerhalb der Rechten heftig umstrittenen französisch-sowjetischen Beistandspakt (was Hitler wenig später als Begründung der Rheinlandbesetzung mit heranziehen sollte). Was die Innenpolitik betraf, ging die Regierung Sarraut, anders als das Kabinett Laval, entschieden gegen die äußerste Rechte vor und löste im Februar die Kampforganisation der Action française, die Camelots du Roi, auf. Den Anlaß bot ein tätlicher Angriff von Anhängern der Action françaiseauf Léon Blum am 13. Februar. Charles Maurras, der Gründer und «Chefideologe» der Action française, wurde wegen Anstiftung zum Mord angeklagt, weil er im April 1935 öffentlich dazu aufgerufen hatte, den «naturalisierten deutschen Juden» Blum als Verräter zu erschießen, und zwar «in den Rücken». Die viermonatige Gefängnisstrafe, zu der Maurras verurteilt wurde, verbüßte dieser im Jahr 1937 (was die Académie Française nicht daran hinderte, ihn 1938 zu ihrem Mitglied zu wählen).
    Die Hetzkampagnen und gewaltsamen Attacken der nationalistischen Rechten trugen erheblich dazu bei, daß sich der Zusammenhalt der Linken festigte. Das organisatorische Dach der Volksfront bildete seit dem Januar 1936 das Rassemblement populaire. Das Programm der Volksfront stellte auf die Verteidigung der Freiheiten und des Friedens ab und begnügte sich mit dem Versprechen sozialer Verbesserungen zugunsten der arbeitenden Schichten wie der Verkürzung der Arbeitszeit, einer öffentlichen Unterstützung der Arbeitslosen und der Einrichtung einer staatlichen Getreidestelle. Eine Nationalisierung des Kreditwesens und einzelner Industrien, wie die SFIO sie in das Programm aufgenommen wissen wollte, lehnten die Kommunisten aus taktischen Gründen, die Radicaux aus Überzeugung ab. Lediglich die Verstaatlichung der Rüstungsindustrie wurde von allen Partnern der Volksfront befürwortet.
    Anfang März 1936 fand in Toulouse die Wiedervereinigung der größten gewerkschaftlichen Dachverbände, der sozialistischen CGT und der kommunistischen CGTU, statt. Die vereinigte CGT verlangte sogleich, was die Volksfront als ganze nicht fordern konnte: öffentliche Arbeiten zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, die Vierzig-Stundenwoche und umfassende Verstaatlichungen. Wäre es nach den Kommunisten gegangen, hätten sich nicht nur die Gewerkschaften, sondern auch PCF und SFIO vereinigt. Die Sozialisten aber mißtrauten diesem plötzlichen Willen zur Harmonie und beließen es bei einer Wahlkoalition aller Volksfrontparteien.
    Die politische Kehrtwende der Kommunisten schloß demonstrative Bekenntnisse zur Trikolore, zur Marseillaise und zur jakobinischen Tradition der Französischen Revolution ein. Den Höhepunkt der auf nationale und soziale Versöhnung eingestellten, an alle Schichten des Volkes appellierenden Wahlkampfrhetorik bildete eine Rundfunkrede von Maurice Thorez am 17. April 1936. Darin erklärte der Generalsekretärder Kommunisten, seine Partei, eine Partei von Laizisten, reiche ihre Hand dem Katholiken, dem Arbeiter, dem Angestellten, dem Bauern, weil sie ihre Freunde und von denselben Sorgen bedrückt seien wie sie. Doch Thorez ging noch weiter und umwarb auch die Anhänger der Rechten: «Wir reichen die Hand Dir, dem freiwillig Dienenden, dem Veteranen, der ein Feuerkreuzler geworden ist, weil Du ein Sohn unseres Volkes bist, weil Du wie wir unter der Unordnung und Korruption leidest, weil Du, wie wir, vermeiden willst, daß das Land in den Ruin und in die Katastrophe abgleitet.»
    Die bevorstehende Kammerwahl war einer der Gründe, weshalb Frankreich am 7. März 1936 nicht massiv auf die Besetzung des entmilitarisierten Rheinlands durch die Wehrmacht reagierte. Sarraut wollte zunächst zwar, unterstützt vor allem vom Minister ohne Geschäftsbereich Paul-Boncour, den erneuten Bruch des Versailler Vertrags mit einer sofortigen militärischen Aktion beantworten, stieß damit aber auf entschiedenen Widerstand bei Kriegsminister General Maurin, Generalstabschef Gamelin und Luftfahrtminister Déat. Eine Einberufung von Reservisten, die sie selbst für den Fall einer bloßen militärischen

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