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Geschichte des Westens

Geschichte des Westens

Titel: Geschichte des Westens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich August Winkler
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Prinzen Max von Baden, gedrängt von der OHL, ein Gesuch um Waffenstillstand an Präsident Wilson herausgehen. Die endgültige Antwort kam, nachdem inzwischen Noten hin- und hergegangen waren, am 23. Oktober. Darin verlangte Robert Lansing, der Chef des State Department, in kaum verschlüsselter Form die Abdankung Wilhelms II. Die OHL forderte daraufhin den Abbruch der Verhandlungenmit den USA und «Kampf bis zum äußersten». Am 24. Oktober provozierte sie einen Konflikt mit der neuen parlamentarischen Regierung, indem sie die Truppenführer in einem Rundtelegramm zum Weiterkämpfen aufforderte. Nach Lage der Dinge war das nichts anderes als ein Versuch Ludendorffs, sich der Verantwortung zu entziehen. Am 26. Oktober wurde er auf Ersuchen der Regierung vom Kaiser entlassen. Neuer Erster Generalquartiermeister und damit faktischer Chef der OHL wurde der aus Württemberg stammende, als besonnen geltende General Wilhelm Groener.
    Um den Kaiser dem Einfluß von Reichsleitung und Reichstag zu entziehen, riet Hindenburg Wilhelm II., Berlin zu verlassen und sich ins Große Hauptquartier im belgischen Spa zu begeben. Am 29. Oktober, einen Tag, nachdem er die verfassungsändernden Gesetze unterzeichnet hatte, tat der Monarch, was der populäre Generalfeldmarschall ihm empfohlen hatte. Der evangelische Theologe und Religionsphilosoph Ernst Troeltsch, ein scharfsinniger Beobachter des Zeitgeschehens, sah darin nicht mehr und nicht weniger als eine endgültige Teilung der Regierung: «Die monarchisch-militärische und die parlamentarisch-bürokratische Gewalt waren völlig getrennt und im Kampf.»
    Stärker noch als von der Spitze des Heeres wurde das neue parlamentarische System von der Flottenführung herausgefordert. Die Seekriegsleitung nahm die Einstellung des U-Boot-Krieges am 20. Oktober zum Anlaß für die Feststellung, daß sie damit ihre «operative Freiheit» zurückgewonnen habe. Als der Reichskanzler diese Mitteilung von Admiral Scheer erhielt, konnte und sollte er ihre Tragweite nicht erkennen. Die Flotte war seit der Schlacht im Skagerrak Ende Mai 1916 kaum noch zum militärischen Einsatz gekommen. Jetzt sah sie die Chance, England in letzter Stunde noch empfindliche Verluste zuzufügen und auf diese Weise ihre «Ehre» zu bewahren. Schwere eigene Verluste wurden dabei billigend in Kauf genommen. Der unvermeidliche Konflikt mit der Regierung und der sie tragenden Mehrheit des Reichstags war der Seekriegsleitung willkommen: Wenn das parlamentarische System über dem Vorstoß zu Fall kam, war das eine aus ihrer Sicht erfreuliche innenpolitische Nebenwirkung der «Englandfahrt». Die Seekriegsleitung trieb Politik auf eigene Faust, und auf eine Weise, die es nahelegt, von einem Putschversuch zu sprechen.
    Eine Gegenwehr der Matrosen hatte die Flottenführung nicht eingeplant.Doch es kam anders. Die Auflehnung begann am 29. Oktober auf einer Reihe von Schiffen, die vor Wilhelmshaven auf Reede lagen. Die Seekriegsleitung ergriff scharfe Gegenmaßnahmen, gab aber damit dem Protest nur neue Nahrung. Am 1. November wurde Kiel zum Vorort der Matrosenerhebung. Zwei Tage später beteiligten sich auch Werftarbeiter an den Aktionen. Am 4. November schaltete sich auf Ersuchen des Stationschefs und Gouverneurs von Kiel, Admiral Souchon, die Reichsregierung ein: Um die Lage rasch unter Kontrolle zu bringen, entsandte sie den Staatssekretär ohne Portefeuille, Conrad Haussmann von der Fortschrittlichen Volkspartei, und den Marinereferenten der sozialdemokratischen Reichstagsfraktion, Gustav Noske, in die Ostseestadt. Noske gelang es, die Matrosen durch das Versprechen einer Amnestie zu beruhigen. Eine Lokalisierung des Aufruhrs aber bewirkte er damit nicht. Am 4. November war nur Kiel in den Händen der Matrosen gewesen; am 6. November waren es auch Lübeck, Brunsbüttel, Hamburg, Bremen und Cuxhaven.
    Tags darauf schlug die Meuterei in Revolution um. Als erster deutscher Thron stürzte der wittelsbachische. Der Unabhängige Sozialdemokrat Kurt Eisner, ein aus Berlin stammender Journalist, ergriff als Vorsitzender des Münchner Arbeiter- und Soldatenrates die Macht in Bayern, das er am 8. November zum «Freistaat» erklärte. Am gleichen Tag übernahm ein Arbeiter- und Soldatenrat in Köln die Macht. Am Abend des 8. November charakterisierte das preußische Kriegsministerium neun weitere Großstädte als «rot», darunter Halle, Leipzig, Düsseldorf, Osnabrück und Stuttgart.
    In Berlin bemühten sich

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