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Geschichte des Westens

Geschichte des Westens

Titel: Geschichte des Westens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich August Winkler
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frühestmöglichen Zeitpunkt beginnen. Ein Abwarten hätte bedeutet, Großbritannien und Frankreich mehr Zeit für ihre Aufrüstung zu lassen, so daß Deutschland seinen Vorsprung auf diesem Gebiet zu verlieren drohte. Der Nichtangriffspakt mit der Sowjetunion befreite Hitler von der Gefahr eines «großen» Zweifrontenkrieges. Der amerikanische Isolationismus war im Sommer 1939 noch stark genug, um einen raschen Kriegseintritt der USA an der Seite Großbritanniens und Frankreichs unwahrscheinlich zu machen. Unter diesen Umständen empfahl sich ein rasches Losschlagen gegen Polen – zumal Hitler noch keineswegs davon überzeugt war, daß London und Paris ihre Beistandsversprechen gegenüber Warschau einlösen würden.
    Von Kriegsbegeisterung konnte im September 1939, anders als ein Vierteljahrhundert zuvor, in Deutschland nirgendwo die Rede sein.«Der Wille zum Frieden ist stärker als der zum Krieg», beobachtete Ende Juni der Landrat von Ebermannstadt in Oberfranken. «Bei dem weitaus überwiegenden Teil der Bevölkerung besteht deshalb mit einer Lösung der Danziger Frage nur dann Einverständnis, wenn dies in der bisherigen Weise schlagartig und unblutig vor sich geht, wie die bisherigen Eingliederungen im Osten … Mit einer Begeisterung, wie sie 1914 war, könnte heute nicht gerechnet werden.» Einen Monat später faßte derselbe Beamte die Stimmung der Bevölkerung in den Worten zusammen: «Die Beantwortung der Frage, wie das Problem, ‹Danzig und der Korridor› zu lösen ist, ist in der Öffentlichkeit noch immer die gleiche: Angliederung an das Reich? Ja. Durch Krieg? Nein.» Am 31. August, dem letzten Friedenstag, notierte der Landrat, was auch aus anderen Regionen des Reiches gemeldet wurde: «Das Vertrauen zum Führer wird jetzt wohl der härtesten Feuerprobe seit je unterstellt. Der überwiegende Teil der Volksgenossen erwartet von ihm die Verhinderung des Krieges, und zwar, wenn es nicht anders möglich ist, selbst unter Verzicht auf Danzig und den Korridor.»
    In seiner Reichstagsrede vom 1. September 1939 berief sich Hitler wenige Stunden nach Kriegsbeginn auf das historische Idol, dem er sich am nächsten fühlte: Friedrich den Großen. Er wurde als Zeuge dafür aufgerufen, daß Deutschland gegebenenfalls auch einer großen Mächtegruppierung trotzen könne. «Ein Wort habe ich nie kennengelernt, es heißt: Kapitulation. Wenn aber irgend jemand meint, daß wir vielleicht einer schweren Zeit entgegengehen, so möchte ich bitten zu bedenken, daß einst ein Preußenkönig mit einem lächerlich kleinen Staat einer der größten Koalitionen gegenübertrat und in drei Kämpfen am Ende doch erfolgreich bestand, weil er jenes gläubige, starke Herz besaß, das auch wir in dieser Zeit benötigen. Der Umwelt aber möchte ich versichern: Ein November 1918 wird sich niemals mehr in der deutschen Geschichte wiederholen!»
    Dem deutschen Überfall auf Polen folgten noch am 1. September Aufforderungen der britischen und der französischen Regierung, Deutschland möge seine Angriffshandlungen einstellen und seine Truppen aus polnischem Gebiet zurückziehen. Am 2. September verlieh London seiner Note vom Vortag Nachdruck, in dem es daraus ein Ultimatum machte – befristet auf den 3. September, 11 Uhr. Da eine deutsche Antwort zu diesem Zeitpunkt nicht vorlag, befand sich Großbritannien nunmehr im Krieg mit Deutschland. Das französische Ultimatumwurde am 3. September um 12 Uhr 20 übereicht. Es lief um 17 Uhr ab. Danach herrschte zwischen Frankreich und Deutschland Kriegszustand. Vom gleichen Tag datieren die Kriegserklärungen von zwei Mitgliedern des Commonwealth, Australien und Neuseeland, sowie von Britisch-Indien. Am 6. September folgte die Südafrikanische Union (wo sich Premierminister Hertzog, der sich für die Neutralität seines Landes eingesetzt hatte, der interventionsbereiten Mehrheit von Regierung und Parlament fügen mußte) und am 10. September Kanada. Von Anfang an hatte Hitlers Krieg also nicht nur europäische, sondern auch globale Dimensionen.
    Das britische Unterhaus gab der Regierung Chamberlain am 3. September volle Rückendeckung; die Labour Party hatte bereits am 1. September ein eigenes Kriegsmanifest mit einem Aufruf zum bewaffneten Widerstand gegen Hitlers neueste Aggression veröffentlicht. Neville Chamberlain trat trotz des Scheiterns seiner bisherigen Politik gegenüber Deutschland nicht zurück; er stärkte seine innerparteiliche Position dadurch, daß er am 3.

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