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Geschichte des Westens

Geschichte des Westens

Titel: Geschichte des Westens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich August Winkler
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Exil nach England begeben. Die norwegischen Verbände, die der deutschen Kriegsmarine, vor allem im Oslofjord und im Norden des Landes, schwere Verluste zugefügt hatten, stellten am 10. Juni den Kampf ein.
    Hitlers Gefolgsmann Vidkun Quisling, der sich am 9. April selbst zum «Staatsminister» ernannt hatte, wurde von den Besatzern an die Spitze eines «Verwaltungsrates» gestellt. Dieser verdankte seine Entstehung einer Initiative von Richtern des Obersten Gerichtshofes, konnte aber keine Legitimität gewinnen und wurde Ende September aufgelöst. Die tatsächlichen Regierungsgeschäfte führte als Reichskommissar für die besetzten norwegischen Gebiete seit dem 24. Mai 1940 der Essener Gauleiter der NSDAP, Josef Terboven. Dem Reichskommissar stand ein von ihm berufener zwölfköpfiger kommissarischer Staatsrat zur Seite. Die politischen Parteien, außer Quislings Nasional Samling, löste Terboven auf. Im Februar 1942 ernannte er Quisling, obwohl dieser in der Bevölkerung über so gut wie keinen Rückhalt verfügte, zum Ministerpräsidenten.
    In Dänemark blieb hingegen der König, Christian X., auf dem Thron und die Regierung im Amt. Die oberste Gewalt lag in den Händen des von Hitler ernannten Reichsbevollmächtigten – eines Amtes, das zunächst, bis Oktober 1942, der Diplomat Cécil von Renthe-Fink, danach der SS-Gruppenführer Werner Best innehatte. Der sozialdemokratische Ministerpräsident Thorvald Stauning, der bis zu seinem Tod im Mai 1942 das Amt des Regierungschefs ausübte, erweiterte das Kabinett durch Einbeziehung liberaler und konservativer Politiker sowie parteiloser Beamter zu einer Regierung der nationalen Sammlung. Die Anpassung an das «Dritte Reich» drückte sich auch darin aus, daß Dänemark im November 1940 dem Antikominternpakt beitrat und Maßnahmen gegen die Kommunisten im eigenen Lande ergriff. Innenpolitisch konnte sich die dänische Regierung durch solche Zugeständnisse bis zum Sommer 1943 ein hohes Maß an Autonomie sichern – einhöheres Maß als irgendein anderes von deutschen Truppen besetztes Land.
    Der Verlierer des Wettlaufs um die Kontrolle über Skandinavien war, vorläufig jedenfalls, Großbritannien. Obwohl die Hauptverantwortung, wie Ian Kershaw feststellt, bei Churchill lag, mußte Chamberlain den politischen Preis für das gescheiterte Unternehmen zahlen. «Die Messer waren gewetzt, um den Premierminister zu stürzen, der versucht hatte, Hitler zu beschwichtigen. Churchill, dessen Warnungen aus dem politischen Abseits jetzt als prophetisch erschienen, hatte an Statur gewonnen. Anfang Mai hatte ein großer Teil von Chamberlains eigener Partei das Vertrauen in ihn verloren und sah in ihm nicht mehr die Führungspersönlichkeit, die Großbritannien im Krieg brauchte. Die Oppositionsparteien lehnten eine Zusammenarbeit mit ihm in einem Kriegskabinett kategorisch ab.» Nach dem Verlust einer Vertrauensabstimmung im Unterhaus trat Neville Chamberlain am 10. Mai 1940 zurück.
    Als wahrscheinlicher Nachfolger galt vielen zunächst Außenminister Halifax, der jedoch, um die Sache der Regierung im Unterhaus vertreten zu können, erst auf seinen Sitz im Oberhaus hätte verzichten und sich in einer Nachwahl in die Commons wählen lassen müssen. Da er überdies selbst an seiner Eignung zum Kriegspremier zweifelte, verzichtete er noch am gleichen Tag auf die Krönung seiner politischen Karriere.
    Damit war der Weg frei für den damals fünfundsechzigjährigen Winston Churchill. Wegen seines zweimaligen Parteiwechsels – 1904 von den Konservativen zu den Liberalen und 1924 zurück zu den Tories – haftete ihm der Ruf launenhafter Unbeständigkeit an; als Schatzkanzler der Jahre 1924 bis 1928 war er ein Minister ohne Fortune gewesen; als imperialistischer «diehard», der sich jedem Schritt in Richtung der Unabhängigkeit Indiens verbissen widersetzte, hatte er die gemäßigten Konservativen, die Liberalen und die Labour Party gegen sich aufgebracht. Aber sein beharrlicher Kampf gegen die Appeasementpolitik, seine Dynamik und Energie, seine rhetorische und schriftstellerische Brillanz sicherten ihm auch den Respekt seiner zahlreichen Gegner. Als er der Labour Party am 10. Mai eine Regierungsbeteiligung anbot, um sein Kriegskabinett auf eine breite politische Basis zu stellen, willigte diese ein. Der bisherige Oppositionsführer Clement Attlee wurde als Lordsiegelbewahrer ChurchillsStellvertreter, der Labour-Politiker Hugh Dalton übernahm das Ministerium für

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