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Geschichte des Westens

Geschichte des Westens

Titel: Geschichte des Westens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich August Winkler
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herbeizuführen, er gab diese Absicht aber wegen der Wetterverhältnisse schließlich auf und vertagte die entsprechenden Pläne ins Frühjahr 1940. Damit entzog er den konservativen Oppositionskreisen, denen sich zeitweilig auch wieder der wankelmütige Generalstabschef Halder zugesellt hatte, die Grundlage für ihr Vorhaben, Hitler zu stürzen. Zur Ausführung gelangte hingegen am Abend des 8. November im Münchner Bürgerbräukeller ein Anschlag des württembergischen Schreiners Georg Elser – allerdings zu einem Zeitpunkt, als der «Führer» den Ort seineralljährlichen Rede anläßlich des Jahrestages des Putsches von 1923 bereits wieder verlassen hatte. Hitler verdächtigte sogleich den britischen Geheimdienst, der Urheber des Attentats zu sein. Doch Elser war ein Einzelgänger. Über die Umsturzabsichten der konservativen Verschwörer war London informiert, doch die Regierung Chamberlain dachte nicht daran, den preußischen Frondeuren eine Waffenruhe oder ein strategisches Stillhalten für den Fall in Aussicht zu stellen, daß es in Berlin zum Regimewechsel kam.
    Politische und militärische Bewegung gab es hingegen im Osten. Die Sowjetunion zwang Ende September Estland, Anfang Oktober auch Lettland und Litauen zu Beistands- und Handelsabkommen, die ihr Militärstützpunkte einräumten. Litauen erhielt bei dieser Gelegenheit das Gebiet um Wilna, das kurz zuvor bei der fünften Teilung Polens der Sowjetunion zugefallen war. Nur Finnland weigerte sich, dem sowjetischen Druck nachzugeben. Am 10. Oktober begannen außerordentliche Einberufungen von Reservisten, was faktisch auf die Mobilmachung hinauslief. Am 13. November wurden die Verhandlungen zwischen der finnischen und der sowjetischen Regierung abgebrochen. Am 30. November begann mit einem Angriff der Roten Armee der Winterkrieg. Tags darauf setzte Moskau im Grenzort Terijoki eine «Volksregierung der demokratischen Republik Finnland» unter dem aus Finnland stammenden Altbolschewisten Otto Wilhelm Kuusinen ein, mit der sie am 2. Dezember einen Freundschafts- und Beistandsvertrag schloß. In Helsinki trat Risto Ryti von der Fortschrittspartei an die Spitze der Regierung; der Sozialdemokrat Väinö Tanner wurde Außenminister. Feldmarschall Mannerheim blieb Vorsitzender des Verteidigungsrates und übernahm den Oberbefehl der Streitkräfte.
    In den demokratisch gebliebenen Ländern Europas genoß der finnische Kampf gegen die sowjetische Aggression große Sympathien. Ein schwedisches Solidaritätskomitee gab die Parole aus «Finnlands Sache ist die unsere». Von den etwa 8000 Schweden, die sich als Freiwillige für Finnland meldeten, kamen freilich nur zwei verstärkte Bataillone an der Front zum Einsatz. Die sozialdemokratische Regierung unter Peer Albin Hansson in Stockholm hielt indessen strikt an ihrer Neutralitätspolitik fest; Außenminister Rickard Sandler, ein Befürworter einer Intervention zugunsten Finnlands, mußte Mitte Dezember zurücktreten und Christian Günther Platz machen, der die außenpolitischen Ansichten des Ministerpräsidenten teilte. Symbolisch blieb dieUnterstützung durch den Völkerbund, an den Helsinki sich Anfang Dezember mit der Bitte um Hilfe gewandt hatte: Am 14. Dezember wurde die Sowjetunion als Aggressor aus der Weltorganisation ausgeschlossen. Die skandinavischen und die baltischen Mitglieder des Völkerbundrates beteiligten sich an der Abstimmung, dem letzten Lebenszeichen des Völkerbundes, nicht.
    Die Neutralität der skandinavischen Staaten erwies sich auch als das entscheidende Hindernis für Hilfsexpeditionen aus Frankreich und Großbritannien, die Paris und London Helsinki bei Beginn des Krieges versprochen hatten. In beiden Ländern war die öffentliche Meinung eindeutig profinnisch. Das eigentliche Motiv für die Hilfszusagen aber war, wie der finnische Historiker Seppo Hentilä feststellt, ein anderes. «Die Westmächte waren vor allem an den nordschwedischen Erzlagerstätten interessiert. Sie befürchteten, daß sich dort entweder Deutschland oder – nach der Eroberung Finnlands – die Sowjetunion festsetzen könnte. Die Verlängerung des Winterkrieges war deshalb für Frankreich und Großbritannien von Vorteil. Schwedens Lage war kompliziert, ihm drohte von drei Seiten eine Besetzung. Obwohl die Westmächte für Schweden eine erträglichere Alternative als Deutschland oder die Sowjetunion waren, widersetzte es sich während der gesamten Zeit dem Transit einer Hilfsexpedition.»
    Die finnischen

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