Geschichte des Westens
wirtschaftliche Kriegführung, sein Parteifreund Herbert Morrison (bis zum Oktober 1940) das Ministerium für Versorgung. Lord Halifax blieb (bis zum Dezember 1940) Außenminister. Sein Vorgänger in diesem Amt, Anthony Eden, wurde Kriegsminister, der Pressemagnat Lord Beaverbrook Minister für die Flugzeugproduktion. Die Koordination der Verteidigung übernahm Churchill selbst.
Als Churchill am Abend des 10. Mai 1940 von König Georg VI. zum Premierminister ernannt wurde, hatte die erwartete Westoffensive der Wehrmacht gerade eben begonnen. Der Zweite Weltkrieg trat in eine neue Phase. Hitler suchte die Entscheidung im Krieg gegen die westlichen Demokratien just in dem Augenblick, in dem ihm mit Churchill ein Widersacher erwuchs, der bis zum äußersten entschlossen war, ihm die Stirn zu bieten und sein Reich in die Knie zu zwingen. Er habe nichts zu bieten außer «Blut, Mühsal, Tränen und Schweiß» (blood, toil, tears and sweat), rief der neue Premierminister in seiner ersten Unterhausrede am 13. Mai den Abgeordneten und dem britischen Volk zu. Es gelte Krieg zu führen gegen die monströseste Tyrannei der Geschichte – Krieg zu Wasser, zu Lande und in der Luft und mit einem einzigen Ziel, dem Sieg um jeden Preis, ohne den es kein Überleben für das britische Empire und all das gebe, wofür es stehe. Die Herausforderung, vor die Großbritannien acht Monate nach der Entfesselung des Zweiten Weltkriegs gestellt war, hätte nicht dramatischer und nicht treffender beschrieben werden können.[ 2 ]
Frankreichs Zusammenbruch: Der Westfeldzug
Der deutsche Angriff im Westen begann am frühen Morgen des 10. Mai. Von der Nordseeküste bis nach Luxemburg stieß die Wehrmacht unter Mißachtung der Neutralität der Niederlande, Belgiens und Luxemburgs nach Westen vor. Als erste stellten die Niederlande ihren Widerstand ein. Noch während der Kapitulationsverhandlungen wurde Rotterdam bombardiert, wo etwa 900 Menschen umkamen. Am 13. Mai begaben sich die Königin Wilhelmina und die Regierung ins Exil nach London. Am 15. Mai wurde die militärische Kapitulation vollzogen. Drei Tage später übernahm der ehemalige Führer der österreichischen Nationalsozialisten, Arthur Seyß-Inquart, das Amt desReichskommissars für die Niederlande und begann mit der Errichtung einer deutschen Zivilverwaltung.
Die Niederringung Belgiens dauerte etwas länger. Bis zum 16. Mai wurden die Festungen Lüttich, Namur und die Dyle-Stellung eingenommen, am 17. Mai Brüssel und tags darauf Antwerpen besetzt. Damit gelang es der Wehrmacht, die belgischen Truppen nördlich dieser Linie von britischen und französischen Verbänden abzuschneiden, die inzwischen von Frankreich aus in Belgien vorgerückt waren. Die belgische Regierung flüchtete zuerst nach Frankreich und dann nach England; König Leopold III. blieb im Lande, unterzeichnete am 28. Mai die Kapitulationsurkunde und kehrte danach, faktisch als Gefangener, in das Schloss Laeken zurück. General Alexander von Falkenhausen übernahm die Funktion des Militärbefehlshabers für Belgien, der Regierungspräsident Eggert Reeder die des Chefs der Militärverwaltung.
Luxemburg wurde, nachdem Großherzogin Charlotte und die Regierung sich ins Exil nach Großbritannien begeben hatten, faktisch annektiert und bildete fortan einen Teil des Gaus Mosel-Trier, der Anfang 1941 in Gau Moselland umbenannt wurde. Die Bevölkerung wurde einem rigorosen sprachlich-kulturellen Verdeutschungsprozeß unterworfen und, soweit männlich und in wehrpflichtigem Alter, zum Dienst in der Wehrmacht gezwungen. Etwa 100.000 französisch gesinnte Lothringer und Elsässer mußten das faktisch annektierte Gebiet verlassen: Sie wurden in das von Vichy regierte Frankreich ausgewiesen. Ein Generalstreik, mit dem sich die Luxemburger Ende August 1942 gegen die zuletzt genannte Maßnahme wehrten, bewirkte kein Einlenken der neuen Herren, sondern das Gegenteil: noch mehr Härte gegenüber den «Volksgenossen», die keine sein wollten.
Der Einmarsch in Frankreich erfolgte nicht dort, wo sich das Land in der Zwischenkriegszeit massiv befestigt hatte, an der Maginotlinie, sondern nördlich davon, über eine vom französischen Militär für unbezwingbar gehaltene natürliche Barriere, die Ardennen, hinweg. Sieben deutsche Panzerdivisionen der Heeresgruppe A unter General von Rundstedt konnten innerhalb von drei Tagen der neunten französischen Armee unter General Corap einen vernichtenden Schlag versetzen. Am 15. Mai
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