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Geschichte des Westens

Geschichte des Westens

Titel: Geschichte des Westens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich August Winkler
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Regimegegner und versteckte Juden aufzuspüren und der Polizei auszuliefern. Die Milice sollte Lavals persönliche Macht sowohl gegenüber politischen Rivalen in Vichy und Paris wie gegenüber der Besatzungsmacht stützen. Doch ebendiesem Auftrag versagte sichDarnand zunehmend: Er begann seine eigene Politik zu betreiben, verbündete sich mit Gegnern der Regierungschefs und nahm Verbindungen zum SD und zur deutschen Sicherheitspolizei auf.
    Laval war, wie auch Pétain, ein Kollaborateur im Sinne der «collaboration d’état», aber kein «collaborationniste». Unter «collaboration d’état» verstehen französische Historiker die von Interessen geleitete Zusammenarbeit der Regierung in Vichy mit der Besatzungsmacht – eine Zusammenarbeit, die eine gewisse ideologische Nähe zum «Dritten Reich» nicht unbedingt voraussetzte und sich vorrangig an dem Ziel orientierte, den Handlungsspielraum des besiegten Frankreich schrittweise zu vergrößern und seine Souveränität zum frühstmöglichen Zeitpunkt wiederherzustellen. «Collaborationnistes» hingegen waren jene Politiker und Intellektuelle, die sich offen zum Faschismus bekannten, im Nationalsozialismus einen Verwandten im Geist und im Deutschland Hitlers die einzige Macht sahen, die Europa sowohl vor dem «jüdischen Bolschewismus» als auch vor der Überwältigung durch die angelsächsischen Demokratien, obenan die Vereinigten Staaten von Amerika, bewahren konnten. Da auch die «collaborateurs» meist glühende Antikommunisten und sehr häufig Antisemiten waren, gab es zwischen ihnen und den «collaborationnistes» keineswegs nur Trennendes, sondern auch wichtige Gemeinsamkeiten.
    Zwei der prominentesten «Kollaborationisten» waren der ehemalige sozialistische Politiker Marcel Déat und der einstige Kommunistenführer Jacques Doriot. Déat, der im Mai 1939 die defätistische Parole «Mourir pour Dantzig?» ausgegeben hatte, setzte sich bereits im Juli 1940 für die Schaffung einer großen, von Pétain geführten Einheitspartei nach dem Vorbild der italienischen Faschisten und der deutschen Nationalsozialisten ein, konnte sich damit aber beim Marschall nicht durchsetzen. Daraufhin näherte er sich der deutschen Besatzungsmacht an und gründete im Februar 1941 seine eigene Bewegung, das Rassemblement national populaire (RNP), das in seinem Organ «L’Œuvre» das Vichy-Regime von rechts als nationalkapitalistisch und reaktionär angriff. Im Sommer 1941 gründete er zusammen mit Doriot und Eugène Deloncle, dem Chef des profaschistischen Mouvement social révolutionnaire, den Freiwilligenverband Légion des volontaires français contre le bolchévisme, aus deren Resten 1943 die französische Einheit der Waffen-SS, die spätere SS-Division Charlemagne, hervorgehen sollte.
    Im Unterschied zu dem Intellektuellen Déat ging der Volkstribun Doriot, der Vorsitzende des 1936 gegründeten rechtsradikalen Parti populaire français (PPF), mit seinem Antikommunismus so weit, sich zeitweilig selbst als einer der französischen Legionäre in Wehrmachtsuniform aktiv am Kampf gegen die Sowjetunion zu beteiligen. Während das Auswärtige Amt in Berlin und der deutsche Botschafter in Paris, Otto Abetz, auf Déat setzten, genoß der der radikalere Doriot das besondere Wohlwollen der SS. Einen Massenanhang konnte aber weder der eine noch der andere hinter sich bringen. Doriot verlor als «collaborationniste» die meisten Anhänger, die seine Bewegung vor dem Krieg gehabt hatte. Seine Partei hatte aber immer noch mehr Mitglieder als die Déats. Zusammen mit anderen faschistischen Organisationen, darunter die Bewegung Deloncles, sollen die RNP und der PPF in 52 Departements zwischen 1942 und 1944 etwas über 14.000 Mitglieder gehabt haben. Die Gesamtzahl der Mitglieder aller faschistischen und prodeutschen Vereinigungen wird für die zweite Hälfte des Jahres 1943 auf höchstens 50.000 geschätzt.
    Zu den intellektuellen «collaborationnistes» gehörten der Publizist Alfred Fabre-Luce, die Schriftsteller Louis Ferdinand Céline, Robert Brasillach, Pierre Drieu la Rochelle und Henry de Montherlant – allesamt beredte Verteidiger eines vom nationalsozialistischen Deutschland geführten Kampfes zur Rettung Europas vor dem Bolschewismus. Die Wortführer des «collaborationnisme» agierten von Paris aus, aber sie hatten einflußreiche Verbündete auch in Vichy. Unter diesen waren der ehemalige Kommunist Paul Marion, der seit Februar 1941 innerhalb der Regierung für Information und

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