Geschichte des Westens
Arthur Rosenberg, der nach sieben Jahren aktiver Mitgliedschaft in der KPD 1927 aus der Partei austrat, hat in seiner 1935 erschienenen «Geschichte der deutschen Republik» zu Recht bemerkt, die Resolution sei «indirekt ein Aufruf zu putschistischen Abenteuern» gewesen.
Ein Anlaß, der Neigung zum Umsturz Taten folgen zu lassen, war bald gefunden. Am 4. Januar 1919, drei Tage nach Abschluß des Gründungsparteitages der KPD, entließ der preußische Ministerpräsident Paul Hirsch, ein Mehrheitssozialdemokrat, den Berliner Polizeipräsidenten Emil Eichhorn, der zum linken Flügel der USPD gehörte. Während der Weihnachtskämpfe hatte Eichhorns Sicherheitswehr sich auf die Seite der meuternden Volksmarinedivision gestellt; die Entlassung des dafür Verantwortlichen war daher unumgänglich. Keine Regierung konnte die Polizei der Hauptstadt einem Mann überlassen, der auf den Sturz dieser Regierung hinarbeitete. Die radikale Linke sah das anders. Für sie war die Amtsenthebung Eichhorns eine gezielte Herausforderung. Noch am Abend des 4. Januar beschloß der Vorstand der Berliner USPD zusammen mit den Revolutionären Obleuten aus der Metallindustrie, am folgenden Tag eine Protestdemonstration gegen Eichhorns Entlassung durchzuführen. Den entsprechenden Aufruf unterzeichnete auch die Zentrale der KPD.
Die Teilnehmerzahl und der Kampfgeist der Demonstranten gingen weit über das hinaus, was die beteiligten Organisationen erwartet hatten. Doch bereits an diesem Tag, dem 5. Januar, gerieten die Ereignisse außer Kontrolle. Während im Polizeipräsidium die Berliner USPD, die KPD und die Revolutionären Obleute noch über das weitere Vorgehen berieten, besetzten bewaffnete Arbeiter die Druckereien des sozialdemokratischen «Vorwärts» und des linksliberalen «Berliner Tageblatts», die Verlagsgebäude von Mosse, Ullstein und Scherl, die Druckerei Büxenstein und das Wolffsche Telegraphenbüro. Unter dem Eindruck von Falschmeldungen, wonach alle Berliner Regimenter, ja sogar auswärtige Garnisonen wie Frankfurt an der Oder zum bewaffneten Kampf bereit seien, gab Karl Liebknecht die verhängnisvolle Parole «Sturz der Regierung Ebert-Scheidemann» aus. Gegen einzelne Proteste beschloß die Mehrheit der Versammelten daraufhin, die Besetzungder Zeitungsbetriebe aufrechtzuerhalten, die Berliner Arbeiter zum Generalstreik aufzurufen und den Kampf gegen die Regierung bis zu deren Sturz aufzunehmen.
Die Berliner Januarerhebung, mit fragwürdigem Recht auch heute noch oft «Spartakusaufstand» genannt, war von Anfang an führerlos. Ziellos aber war sie nicht. Die Parole «Sturz der Regierung Ebert-Scheidemann» bedeutete nichts Geringeres als die Verhinderung der Wahlen zur Verfassunggebenden Nationalversammlung und die Errichtung der Diktatur des Proletariats. Was die russischen Bolschewiki im Januar 1918 durch die Sprengung der freigewählten Konstituante bewirkt hatten, wollten ihre deutschen Gefolgsleute und Sympathisanten erreichen,
bevor
es zur Wahl einer Konstituante kam. Der Rat der Volksbeauftragten war also gezwungen, die Kampfansage der radikalen Minderheit des Berliner Proletariats anzunehmen und dem Aufstand gegen die Demokratie entgegenzutreten.
Die Durchführung dieser Aufgabe fiel Gustav Noske zu, der erst am 29. Dezember, einen Tag nach dem Ausscheiden der Unabhängigen, in den Rat der Volksbeauftragten eingetreten war. Der gelernte Holzarbeiter und spätere Marinereferent der sozialdemokratischen Reichstagsfraktion konnte sich bei der Abwehr des Putsches zunächst nur auf einige Berliner Ersatzbataillone, Teile der Republikanischen Soldatenwehr und der Charlottenburger Sicherheitswehr sowie den eben erst gebildeten Helferdienst der Sozialdemokratischen Partei stützen. Dazu kamen rechtsstehende Freikorps, die sich auf Grund des Regierungsaufrufs «Freiwillige vor!» vom 7. Januar bildeten, sowie, vom 8. Januar ab, Freiwilligentruppen der Obersten Heeresleitung.
Zunächst war es noch ungewiß, ob es zum bewaffneten Kampf kommen würde. Am 6. Januar nahm die Regierung auf Drängen des Vorstands der USPD Verhandlungen mit den Aufständischen auf. Die MSPD verlangte die sofortige Räumung der besetzten Zeitungsgebäude, während Karl Kautsky für den gemäßigten Teil der Unabhängigen einen Kompromißvorschlag unterbreitete: Die Verhandlungen sollten dann als gescheitert betrachtet werden, wenn sie nicht zur vollen Wiederherstellung der Pressefreiheit führten. Es ist nicht sehr wahrscheinlich, daß
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