Geschichte machen: Roman (German Edition)
ich.
Mit unbeholfener Zuneigung legte er mir eine Hand auf die Schulter. »Eines Tages werden wir uns über die ganze Angelegenheit kaputtlachen«, meinte er.
»Auf jeden Fall«, sagte ich, »nur über dein Verständnis und deine Unterstützung werde ich hoffentlich nie lachen. Soviel Geduld konnte nur ein wahrer Freund aufbringen.«
»Hast du’s nicht ’ne Nummer kleiner?« fragte er, wurde rot und verschwand.
Rührend, das Ganze. Ich fragte mich, wo er wohl hinwollte und was er seinen Bekannten erzählen würde.
Als ich wieder im Zimmer war, Zimmer 303,
meinem
Zimmer, legte ich mich auf das Bett, in dem ich morgens aufgewacht war, starrte an die Decke und versuchte, meine Gedanken zu ordnen und die neuen Erinnerungen zu sortieren.
Ich wußte jetzt hundertprozentig, daß ich Michael Young war, Doktorand der Geschichte in Cambridge. Ich wußte auch, daß ich gestern abend – aber was bedeutete »gestern abend«? – in einem Labor in Cambridge gewesen war, genau, in New Cavendish, und in diesem Labor arbeitete ein Physiker, ein Physiker namens … ach, würde mir schon wieder einfallen.
Wir hatten an einer Maschine herumgebastelt …
Tim! Die Maschine hieß Tim. T. I. M. Temporale Imaginationsmaschine. Nur hatten wir die Bedeutung der Abkürzung verändert, als Leo …
Leo! Siehst du, Puppy? So peu à peu fällt dir alles wieder ein. Leo hieß er. Leo Zuckermann. Während der Weiterentwicklung des Prototyps hatten wir die Bedeutung der Abkürzung verändert, die schließlich für Temporale Interface-Maschine stand, weil wir Pillen verschicken mußten …
Pillen! Da war eine Handvoll orangefarbener Pillen gewesen, die Jane …
Jane! Janes Pillen. Die Unfruchtbarkeitspille für den Mann. Die auf Dauer sterilisierte. Die Frischwasserzisterne hinter dem Haus im österreichischen Braunau. Dort hatten wir die Pillen hingeschickt. Nach Braunau am Inn.
Braunau!
Jetzt brach ein solcher Erinnerungsschwall über mich herein, daß ich Angst vor dem Ertrinken bekam.
Alois. Klara. Das Meisterwerk. Abgeschlossen bis zum letzten Komma. Ein Päckchen, das aus meinem Postfach ragte und an Leo Zuckermann adressiert war. Der Parkplatz. Die verschandelte Clio. Die aufgeplatzte Aktentasche. Durch die Luft flatternde Dissertationsseiten. Leo, der mir beim Aufsammeln half. Die Versöhnung mit Jane. Die verstreuten Pillen. Das Kaffeetrinken bei Leo. Die heiße, verschwitzte Sprechstunde bei Fraser-Stuart, der meine Doktorarbeit haßte. Leo, der mir Tim zeigte. Auschwitz.
Auschwitz. Leos Vater. Nichts von wegen Zuckermann. Bauer.
Ich stellte mir vor, wie Leos Vater den kleinen Leo und seine Mutter tätowiert hatte. Ich dachte an Jane, an ihre Tätowierung auf dem Arm, und wie sie mich auf meinen untätowierten Arm geschlagen hatte, weil ich die Pillen verstreut hatte.
Jane mit einer Tätowierung auf dem Arm? Da stimmte doch was nicht!
Wenn die Zeitreise möglich wäre, dann würde jemand zurückgehen und dafür sorgen, daß man die Brüder Gallagher nach der Geburt trennt und die Bildung von Oasis verhindert. Das hatte Jane doch gesagt, oder nicht?
Liam und Noel Gallagher waren jetzt in Princeton. Mitglieder der Cliosophischen Gesellschaft, wo Steve und Double Eddie, untermalt von Wagnermusik, den ganzen Tag am Zocken waren.
Steve und Double Eddie, die efeubewachsen am Flußufer schmusten. Aber Steve war mein Schlüssel aus der Tasche gefallen. Er war in den Cam gefallen und trudelte auf den Kies im Flußbett hinab. Ich sah, wie sich sein Silber um die eigene Achse drehte wie ein Pfannkuchen, der von Sirupströmen mitgerissen wird, und auf dem Maikies liegenblieb. Maikies?
»
Mikey! Mikey!
Wach auf. Wir müssen los.«
Ich fuhr abrupt hoch, durch den Schweiß des Mittagsschlafs klebte mir das Polohemd am Rücken.
Steve stand vor mir. »Alles klar, Buddy?«
»Ja … ja. Alles klar, danke.« Ich sah mich im Schlafzimmer um und starrte Steve an.
»Bestimmt? Du mußt einen tierischen Alptraum gehabt haben. Tiefe REM-Phase, weißt du? Dein Pony klebt an der Stirn.«
»Häh?«
»Du schwitzt kolossal. Ich hätte dich ja gern weiterschlafen lassen, aber wir müssen um drei bei diesem Taylor sein.«
»Nein, ehrlich, mir geht’s gut. Viel besser.« Ich setzte mich auf den Bettrand, schlüpfte in die Timberlands und zitterte vor Erregung.
»Na, ist doch klasse.«
Ich packte Steve am Arm. »Ich hab allerdings eine Bitte«, sagte ich. »Kannst du mir eine Frage beantworten, auch wenn sie verrückt klingt?«
»Klar,
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