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Geschichte machen: Roman (German Edition)

Geschichte machen: Roman (German Edition)

Titel: Geschichte machen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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stand offen, und Mends erstarrende Leiche sah immer noch voller Konzentration an die Decke.
    »Mein guter, getreuer Hans«, sagte Rudi. »Da du deine Nase in fremde Angelegenheiten stecken mußtest, kannst du leider nicht an der Stunde meines größten Triumphs teilhaben. In wenigen Wochen werde ich Major Gloder sein und mich beim Generalstab lieb Kind machen. Ich werde meine Tage in einem hochherrschaftlichen Château verleben, Pralinenfuttern und am grünen Tisch Zinnsoldaten verschieben, bis dieser idiotische Krieg endlich vorbei ist. Und jetzt laß mich in Ruhe. Ich muß mein neues Tagebuch schreiben.«
    Morgens um drei erhob er sich mit schmerzenden Gliedern von seiner Arbeit und ging in die Küche hinab. Alles war totenstill, als er durch die Hintertür auf den Hof schlich.
    Er fand eine Schubkarre und stellte sie an der Wand unter seinem Fenster ab. Der nächste Wachposten mußte auf der anderen Seite des
Fermier
sein, und wenn Rudis Schnapsgeschenk zur Feier des Tages nicht versagt hatte, schlief er irgendwo seinen Rausch aus.
    Als Rudi wieder in seinem Zimmer war, öffnete er die Schreibtischschublade und wühlte darin herum. Dann ging er in die Kammer, schlang Mend seine Botentasche um die Schultern, hob die Leiche an und trug sie ohne größere Schwierigkeiten zum offenen Fenster. Er ließ sie genau neben die Schubkarre fallen. Als der Körper unten aufschlug, brachen einige Knochen wie trockene Äste, da inzwischen die Leichenstarre eingesetzt hatte.
     
    Als Rudi seine steife Fracht durch die Nacht auf den Lattenrost des Kurfürstendamms zuschob, sah er sich als Müller, wie er weiland in einem Dorf auf dem Lande Mehl verkaufte. Leise pfiff er die plätschernde Melodie von Schuberts Arrangement der »Schönen Müllerin« vor sich hin.
    Er erreichte Mends Unterstand, wuchtete die Leiche hoch und ging hinein.
    »Wer da?« fragte eine schlaftrunkene Stimme in der Dunkelheit.
    »Ich bin’s«, sagte Rudi leise. »Bring euern betrunkenen Hans ins Bett.«
    »Gott sei Dank, Herr Hauptmann. Ich hatte schon Angst, es wäre die Reveille.«
    »Erst in zwei Stunden. Schlaf ruhig weiter. Ich bring ihn ins Bett und verschwinde wieder.«
    Ein gebrochenes Bein stand heraus, aber nach einigem Schieben und Zerren lag die Leiche schließlich in halbwegs natürlicher Stellung auf dem Bett.
    Rudi verließ den Unterstand, hob die schwere Holzschubkarre hoch und schob sie über die Rückenwehr des Grabens. Er stieg ihr nach, indem er die Stiefel zwischen den Sandsäcken verkantete. Als er oben war, drehte er sich um und betrachtete den Eingang des Unterstands.
    Welch eine Verschwendung, dachte er. Andererseits war jeder Krieg eine einzige Verschwendung. Das war schließlich nichts Neues. Er zog die Mills-Bombe aus der Tasche und nahm sich vor, allen Angehörigen wunderschöne, lyrische Beileidsbriefe zu schreiben.
    Bevor er zum
Fermier
zurückrannte, stieß er die Schubkarre von sich, die in die Dunkelheit hineinsegelte.
    Als sie in ein Gebüsch krachte, detonierte hinter ihm der hochexplosive Sprengstoff.

Alte Geschichte
    Konsequenzen
     
    Beim Anblick Double Eddies war mein Gedächtnis detoniert wie ein Unterwasservulkan, und ich mußte dringend allein sein, um das Magma geschmolzener Eindrücke zu verarbeiten, das vor meinem inneren Auge aufstieg und erstarrte. Das mag ein übertriebenes Bild sein, entsprach aber meinem Gefühlszustand. Es war meschugge, aber tröstlich, mir Metaphern auszudenken. Wenn das Leben unendlich leer erscheint, klammert man sich an jedes in der Wirklichkeit wurzelnde Bild, um nicht völlig ins Schwimmen zu geraten.
    Steve hatte mich über den Campus nach Henry Hall zurückgebracht. Nach dem Zusammenstoß mit Double Eddie war er wahrscheinlich ziemlich von den Socken und daher froh, mich hier abliefern und in die Normalität seines eigenen Lebens zurückkehren zu können. Er hatte bestimmt noch zu tun oder wollte seiner Freundin von diesem verrückten Vormittag erzählen. Womöglich mußte er auch Doc Ballinger Rapport erstatten.
    »Hör mal«, sagte ich, als das viktorianische, neugotische Mauerwerk von Henry Hall mit seinem Efeu vor uns emporwuchs, ein vertrauter Anblick, der in dieser fremden Welt heimatliche Gefühle weckte. »Das war unheimlich nett von dir. Ich hab dir bestimmt tierisch zu schaffen gemacht, und du hast dich prima geschlagen. Ich geh dann hoch und hau mich hin.«
    »Hast du deinen Schlüssel?«
    Ich suchte in der Tasche meiner Shorts und zog ihn heraus. »Alles da«, sagte

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