Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Geschichte machen: Roman (German Edition)

Geschichte machen: Roman (German Edition)

Titel: Geschichte machen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
Vom Netzwerk:
waren nicht wenige), erklärte er unumwunden, er könne mit seiner Partei erst dann zur Wahl antreten, wenn er dem deutschen Volk eine Lockerung der Bedingungen des

Versailler Vertrags in Aussicht stellen könne. Auf diese Weise überholte er die Sozialdemokraten, knüpfte Verbindungen zu Staatsmännern in Europa und Amerika und machte sich auf der internationalen Bühne zu einer Zeit einen Namen, als Deutschland noch Nabelschau betrieb, sich die Wunden der militärischen Niederlage leckte und die Schmach des aufgezwungenen Friedensvertrags zu verarbeiten suchte. Während dieser Jahre des Reisens trat Gloder in einem Hollywood-Stummfilm auf und machte sich über seinen eigenen Ruf als Redner und Causeur lustig (
The Public Speaker
, Hal Roach, 1924), spielte Golf mit dem

Prince of Wales , tanzte mit

Josephine Baker , bestieg das Matterhorn und ging zahlreiche Freundschaften und Verbindungen ein, die sich in späteren Jahren als nützlich erweisen sollten.
    1923 wies Gloder die Avancen

Erich Ludendorffs zurück, dessen Machtstreben auch die Demontage der

Weimarer Republik einschloß, an deren Stelle er das Regime einer Militärjunta setzen wollte. Ludendorff hatte schon 1920 in Berlin beim gescheiterten Kapp-Putsch nach der Macht gegriffen, und Gloder mißtraute dem politischen Urteilsvermögen des alten Generals. Außerdem war ihmdie krankhafte Paranoia zuwider, die Ludendorff auf Schritt und Tritt Freimaurer, Jesuiten und Juden wittern ließ, deren »internationale Verschwörung« das Attentat auf

Erzherzog Ferdinand in Sarajewo ebenso vorbereitet haben sollte wie Deutschlands Niederlage 1918. Der General hatte sich sogar zu der Aussage verstiegen, sowohl Mozart als auch Schiller wären von »der Tscheka dieses weltumspannenden Geheimbunds« ermordet worden. Gloder verbot seinen Parteigenossen, Ludendorff bei seinem neuen Versuch der Machtergreifung zu unterstützen. Es ist nicht ausgeschlossen, daß er den General bei den Münchner Behörden denunzierte, denn als Ludendorff im November mit nur zweihundert Mann hinter sich vom Bürgerbräukeller zur Feldherrnhalle zog, wurde er ohne viel Federlesens festgenommen und wegen Hochverrats verurteilt.
    Gloders Fähigkeit, den richtigen Augenblick abzuwarten, wurde fünf Jahre später erneut auf die Probe gestellt, als er sich auch 1928 weigerte, die NSDAP bei allgemeinen Wahlen antreten zu lassen. Er überzeugte die höheren Ränge seiner Partei davon, daß eine Kandidatur zu diesem Zeitpunkt nicht opportun sei, und selbst wenn sie wider Erwarten gewählt würden, wäre ihnen die Gesamtwirtschaftslage nicht günstig. Deutschland erlebte damals einen leichten Aufschwung, und die Sozialdemokraten standen in der öffentlichen Meinung unangefochten da. Es war besser, sich in Geduld zu üben und abzuwarten.
    Nur wenige Monate darauf zeigten der

Schwarze Freitag und der Beginn der

Weltwirtschaftskrise , wie scharfsinnig diese Analyse gewesen war.

Hjalmar Schacht ,

Friedrich Thyssen ,

Gustav Krupp ,

Friedrich Flick und andere deutsche Industriemagnaten erkannten umgehend die Ratlosigkeit der Sozialdemokraten angesichts dieser beispiellosen Baisse und füllten die Kassen der NSDAP, da sie inzwischen überzeugt waren, allein Gloder besäße die erforderliche Kombination aus staatsmännischem Geschick und Rückhalt in der Bevölkerung, um Deutschlands wirtschaftliche Talfahrt zu beenden.
    Im Herbst 1929 war die Hyperinflation unkontrollierbar geworden, die Arbeitslosigkeit hatte epidemische Ausmaße angenommen, und es war offensichtlich, daß …
     
    »Meine Güte, Mikey, wie lange willst du denn noch büffeln?«
    Ich schreckte hoch: »Wieso? Wie spät ist es denn?«
    »Gleich sechs, Mann.«
    »Scheiße, ich hab doch grad erst angefangen. Kann ich die Bücher hier ausleihen?«
    Steve schüttelte den Kopf. »Die Nachschlagewerke und Enzyklopädien nicht. Die sind nur für den Lesesaal und die Nischen. Aber die beiden hier kannst du mitnehmen, denk ich mal.«
    Er kam zum Tisch und griff nach zwei kleinen Handbüchern der europäischen Geschichte.
    »Gut, dann eben nur die«, sagte ich, stand auf und streckte mich. »Ey, tut mir leid. Du mußt ja die ganze Zeit Däumchen gedreht haben. Warum bist du nicht abgehauen? Henry Hall find ich inzwischen auch alleine, ist doch kein Thema.«
    Steve klemmte sich die Bücher unter den Arm. »Ich komm mit«, sagte er.
    »Ehrlich, brauchst du nicht.«
    Er schlug verlegen die Augen nieder. »Um

Weitere Kostenlose Bücher