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Geschichte machen: Roman (German Edition)

Geschichte machen: Roman (German Edition)

Titel: Geschichte machen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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knallrot.
    Er versuchte, seine Verwirrung zu überspielen, indem er sich auf das Innenleben eines Doughnuts konzentrierte, und mir wurde klar, daß mir schon seit einiger Zeit eine Frage durch den Kopf ging.
    »Ähm, Steve. Das ist wieder eine pottsdämliche Frage, aber ich bin nicht zufällig von der anderen Fakultät, oder?«
    Steve runzelte die Stirn. »Wie meinst du das? Du studierst Philosophie, das haben wir doch schon geklärt.«
    »Nein, das meine ich nicht. Bin ich … du weißt schon, also … ähm … na ja?«
    »Was denn nun?«
    »
Das weißt du ganz genau!
Bin ich … ein warmer Bruder? Bin ich schwul?«
    Steve wurde leichenblaß. »Um Gottes willen, Mike!«
    »Man wird doch noch fragen dürfen. Also echt. Du hast gesagt, ich hätte keine Freundin. Und dann dachte ich, also, bei all den Postern hier … na ja … da hab ich mir halt so meine Gedanken gemacht …«
    »Herrgott, Mike! Bist du denn vollkommen übergeschnappt?«
    »…
früher
war ich’s nicht, als ich noch in Camb… also soweit ich mich erinnern kann. Glaub ich jedenfalls nicht. Oder nicht sehr. Nicht mehr als … na ja, irgendwie jeder Mann. Ich hatte eine Freundin, aber mal im Vertrauen, die Beziehung war ziemlich im Arsch. Sie war älter als ich, und wir waren nur noch aus Bequemlichkeit zusammen, weil wir halt zusammenwohnten und so. Nicht, daß ich sie nicht geliebthätte, aber manchmal hab ich James und Double Eddie doch beneidet. Vielleicht war ich die ganze Zeit … ist ja auch Jacke wie Hose, ich hab mich halt gefragt, und damit basta. Ist wahrscheinlich normal, und man muß das nicht an die große Glocke hängen.«
    Steve starrte seine Coladose an, als enthielte sie die Antwort auf die letzten Fragen des Universums. »Das muß man nicht an die große Glocke hängen?« fragte er mit belegter Stimme. »So was solltest du nicht so laut sagen, Mikey. Du redest dich noch um Kopf und Kragen.«
    »Um Kopf und Kragen? Meine Güte, du redest ja, als wäre das ein Verbrechen. Ich hab dich doch bloß gefragt, bin ich oder war ich jemals … o mein Gott!« Ich brach mitten im Satz ab. Beim Rhythmus des alten McCarthy-Mantras dämmerte mir plötzlich die furchtbare Wahrheit. »Es ist eins, stimmt’s? Homosexualität ist ein Verbrechen!«
    Er sah mich an und hatte Tränen in den Augen, glaubte ich. »Natürlich ist sie ein Verbrechen, du Vollidiot! Lebst du denn hinterm Mond?«
    »Das ist der springende Punkt, Steve«, sagte ich. »Genau darum geht’s. Ich lebe zwar nicht hinterm Mond, aber da, wo ich herkomme, war sie eben kein Verbrechen.«
    »Nein, natürlich nicht. Wahrscheinlich kommst du vom Mars, aus dem Tal am Fuß des großen Kandiszuckerberges, wo an Zuckerstangenbäumen Marshmallows wachsen, wo man wildfremden Leuten einen Kirschkuchen backt und wo den ganzen Tag lang eitel Sonnenschein herrscht.«
    Dazu fiel mir nichts mehr ein.
    Steve trank seine Cola aus, drückte die Dose zusammen und tastete nach einer Zigarette.
    Ich zündete mir ebenfalls eine an und räusperte mich. Ich haßte dieses Schweigen. »Dann waren wir also nie … ich meine … wir beide …«
    Er funkelte mich fuchsteufelswild an.
    »Aha. Das soll wahrscheinlich nein heißen.«
    Er beugte sich vor und sah zwischen seinen Beinen auf den Teppich, so daß ihm die Haare vors Gesicht fielen.
    Wieder trat dieses beklommene Schweigen ein.
    »Hör mal, Steve«, sagte ich. »Wenn ich jetzt behaupten würde, ich käme wirklich vom Mars, würdest du mich doch für verrückt halten, oder? Aber angenommen, nur mal angenommen, ich käme aus … aus einer anderen Welt, die mit dir und deiner Kultur so gut wie nichts mehr gemeinsam hätte …«
    Er sagte nichts, sondern konzentrierte sich weiterhin auf das Teppichmuster.
    »Du bist ein vernünftiger Mensch«, fuhr ich fort. »Und du mußt doch zugeben, daß das, was mir zugestoßen ist, nicht so einfach zu erklären ist. Meine komische Redeweise ist keine Masche, das weißt du ganz genau. Professor Taylor ist das auch aufgefallen, und der ist schließlich Engländer. Na ja, ehrlich gesagt, ist er englischer als die meisten Engländer. Von einer Nanosekunde auf die andere war ich wie ausgewechselt – an der Mauer am Palmer Square; eben noch dein Freund, ein durch und durch amerikanischer Sonnyboy, Philosophiestudent, Baseballpitcher, dein guter alter Zahnseiden-Mikey-Young – und plötzlich nicht mehr wiederzuerkennen. Äußerlich habe ich mich nicht verändert, wohl aber innerlich. Das kannst du nicht abstreiten. Das ist so

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