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Geschichte machen: Roman (German Edition)

Geschichte machen: Roman (German Edition)

Titel: Geschichte machen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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ersten Augenblick ihrer Bekanntschaft an stellte Goebbels seine fulminante Rednergabe und seinen instinktiv modernen Umgang mit Wochenschau und Radio vorbehaltlos in den Dienst seines Führers.
    Propaganda war für Gloder das wichtigste Mittel, um politische Macht zu konzentrieren und zu konsolidieren, aber im Lauf der Zeit erkannte er, daß dem Potential von Naturwissenschaft und technologischen Innovationen mindestens ebensoviel Bedeutung beizumessen war. Er unterdrückte seinen eingefleischten Antisemitismus und bemühte sich, die Physiker der Göttinger Universität und andereNaturwissenschaftler für sich zu gewinnen, deren Forschungen in den Bereichen der Atom- und Quantenphysik denen ihrer Kollegen außerhalb Deutschlands weit voraus waren. Gloder glaubte unerschütterlich daran – und der Lauf der Geschichte sollte ihm recht geben –, daß das Vertrauen der Naturwissenschaftler für Deutschlands Zukunft unerläßlich war. Diese felsenfeste Überzeugung lief dem Instinkt von Ideologen wie

Dietrich Eckart ,

Alfred Rosenberg und

Julius Streicher diametral entgegen, und selbst sein enger Freund Goebbels glaubte wie viele andere, daß die »Judenphysik« ein neues Deutschland nur vergiften werde. Dietrich Eckart, der den Nazis mit dem Titel seines Gedichts »Deutschland erwache!« die erste Kampfparole geliefert und die Übernahme des
Völkischen Beobachters
, der Parteizeitung der NSDAP, finanziert hatte, überwarf sich mit Gloder, dessen »Liebedienerei« bei den Juden er ablehnte. Bis zu Eckarts Tod im Jahre 1923 sprachen die beiden kein Wort mehr miteinander. Bei Eckarts Beerdigung beklagte sich Gloder bei Goebbels, der Verstorbene habe zeitlebens nicht einsehen können, daß es ein taktischer Fehler gewesen wäre, die Juden zu früh zu vergraulen (vgl. Rudolf Gloder,
Am Anfang
, Berlin 1932, übs. Gottlob Blumenbach, New York 1933). Gloder instrumentalisierte den Antisemitismus in seinen Reden vor Arbeiterversammlungen, um eine Einheitsfront zu schaffen, war aber stets darauf bedacht, es sich mit den unentbehrlichen Ressourcen jüdischer Wissenschaftler und Finanziers nicht zu verscherzen. In regelmäßigen Zusammenkünften mit Sprechern jüdischer Organisationen – Treffen, von denen selbst seine engsten Vertrauten und Verbündeten nichts wußten – konnte Gloder die jüdische Prominenz davon überzeugen, daß der Antisemitismus seiner Partei bloße Pose sei und daß Deutschlands Juden von ihm weniger zu befürchten hätten als von anderen rechten Parteien oder den Marxisten.
    Gloders dritter Programmschwerpunkt während dieser Anfangsphase lag im Aufbau einer Parteikampftruppe unter der schonungslosen Führung von

Ernst Röhm , die brutalen Straßenkampf und Terror einsetzte, um politische Gegner auszuschalten und Zwischenrufe und Gegendemonstrationen im Keim zu ersticken. Obwohl diese Rotten ehemaliger Soldaten und erwerbsloser Arbeiter außerhalb der Legalität operierten und von den liberalen Intellektuellen der Zeit einerseits gefürchtet, andererseits verachtet wurden, gelang es Gloder auch bei den Wortführern der letzteren, die rohen Methoden seiner eigenen Partei in Mißkredit zu bringen. Mit zahlreichen Schriftstellern, Wissenschaftlern, Intellektuellen, Industriellen und Juristen, fürdie die Nazis Anathema waren, schloß Gloder dennoch Freundschaft, weil er sie überzeugen konnte, die Taktiken Röhms, des Parteivizes und von Gloder persönlich ernannten Stellvertreters, seien nur eine Zwischenlösung, ein notwendiges Übel beim Kampf gegen den Kommunismus.
    Zugleich machte Gloder zahlreiche und ausgedehnte Reisen, stattete Frankreich, Großbritannien, Rußland und den Vereinigten Staaten Besuche ab, bei denen er von seinen Sprachkenntnissen und seinem Charme profitierte. Obwohl sich die NSDAP in diesem Zeitraum (1922–1925) noch kein einziges Mal zur Wahl gestellt hatte, war sie in nur vier Jahren zur nach den

Sozialdemokraten und den Kommunisten drittgrößten Partei Deutschlands und damit zu einem respektablen Machtfaktor angewachsen. Gloders Auslandsflüge in seiner berühmten roten Fokker (die wenig subtil auf den weltweit verehrten Baron von Richthofen anspielte, mit dem Gloder angeblich ebenfalls verwandt war) sollten außen- und innenpolitisch demonstrieren, daß er ein vernünftiger, kultivierter Mensch war, ein Gentleman und Staatsmann, der auf dem Parkett der Weltpolitik eine glaubwürdige Figur abgab. Den ausländischen Politikern, die ihn empfingen (und das

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