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Geschichte machen: Roman (German Edition)

Geschichte machen: Roman (German Edition)

Titel: Geschichte machen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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LEO singt lauthals mit; er beschleunigt im Rückwärtsgang und …
    RUMS! SCHEPPER!
     
    MICHAEL KRACHT mit dem Vorderrad ins blaue Metall von LEOs Wagen.
    PAPIER fliegt durch die Luft.
    LEO tritt entsetzt auf die Bremse. Blätter wehen um ihn herum und flattern in den offenen Fond.
    LEO stellt den Motor ab, die MUSIK endet abrupt.
     
    LEO (springt aus dem Wagen)
    O mein Gott! Mein Gott!
    MICHAEL liegt kunstvoll drapiert auf der Straße, der Großteil seines Skripts ist wohlverwahrt in der Tasche geblieben.
    LEO kommt ums Auto herum und beugt sich angsterfüllt über ihn. Er spricht mit starkem deutschen Akzent, ohne jede amerikanische Einfärbung.
     
    LEO
    Sind Sie gesund? Lieber Gott, bitte sagen Sie, daß Sie gesund sind! Ich habe Sie nicht gesehen. Ich habe Sie völlig übersehen. Vergeben Sie mir, bitte vergeben Sie mir.
     
    MICHAEL (rappelt sich auf)
    Puh – schon okay, Sir. Bin mit heilen Knochen davongekommen. Mannomann!
    Er wischt sich den Straßendreck ab.
     
    LEO
    Sind Sie sicher? Sind Sie nicht verletzt?
     
    MICHAEL
    Hätte besser aufpassen sollen, wo ich hinfahr. Alles meine Schuld. Ich war auf der falschen Straßenseite … ach du Scheiße, meine Seminararbeit!
    Wie vor den Kopf geschlagen, sieht MICHAEL auf die bis in den Wagen verstreuten Seiten.
     
    LEO
    Ich sammle sie ein. Das bereitet mir keine Mühe, ich sammle sie für Sie ein. Bitte bewegen Sie sich so wenig wie möglich.
    MICHAEL schaut in seine Tasche.
     
    MICHAEL
    Das meiste ist noch da. Mensch, ich dachte schon, ich wär echt am Arsch.
    LEO läuft herum und sammelt aus dem Wagen und dem Rinnstein die einzelnen Blätter wieder ein.
     
    LEO
    Hier. Sie sind unversehrt. Sie sind nur …
    Er verstummt, als er das Titelblatt sieht. MICHAEL sieht ihn an, als könne er kein Wässerchen trüben.
     
    MICHAEL
    Sind sie alle da, Sir? Ich glaube, mir fehlen …
    (er schaut in der Tasche nach)
    … die Seiten 1 bis 24.
    LEO blättert die Seiten durch und zählt sie. MICHAEL mustert ihn unverhohlen.
     
    LEO (neugierig, aber wachsam)
    Alles da. Sie sind ein Student der Geschichte?
     
    MICHAEL
    Ich? Gott behüte, Sir. Nein, Philosophie.
     
    LEO
    Philosophie? Aber der Titel Ihrer Arbeit läßt vermuten …
     
    MICHAEL
    Ach so, deswegen! Nein, schauen Sie, ich schreibe eine Hausarbeit über das Böse.
     
    LEO
    Das Böse? Eine Hausarbeit über das Böse?
     
    MICHAEL
    M-hm, genau. Für ein Ethikseminar. Ich habe mich in die Jugend von Rudolf Gloder eingearbeitet. Jede Einzelheit seiner Kindheit. Die ist noch so gut wie unerforscht. Sie wären erstaunt, was ich alles herausgefunden habe. Sachen über seine Mutter und seine Geburt. Alles mögliche. Ich habe die These aufgestellt, daß … oh, entschuldigen Sie bitte, Sir. Das muß Sie schrecklich langweilen.
     
    LEO
    Nein, nein. Beileibe nicht. Mich langweilen? Nein.
    MICHAEL streckt die Hand aus.
     
    MICHAEL
    Darf ich dann, Sir?
     
    LEO (geistesabwesend)
    Wie bitte?
     
    MICHAEL
    Meine Seiten haben.
     
    LEO
    Gewiß. Natürlich. Hier. Entschuldigen Sie.
    (reicht ihm die Blätter, die MICHAEL wieder in der Tasche verstaut) Es kommt mir jedoch nicht recht vor. Ein junger Mann in Ihrem Alter … in diesem Land. In Amerika.
     
    MICHAEL
    Sir?
     
    LEO
    Daß Sie Ihren Kopf mit einem solchen Thema belasten. Was wissen Sie denn schon von dem Bösen?
     
    MICHAEL
    Na, ich denke, ein bißchen wissen wir doch alle darüber, Sir. Man braucht doch heutzutage bloß die Zeitung aufzuschlagen, finden Sie nicht? Gewaltverbrechen. Kindesmißbrauch. Korruption. Und dann erst in der Geschichte. Die Bomben auf Moskau und Leningrad. Der JFS. Die …
     
    LEO
    Wie bitte? Jott Effeß? Was soll der Jotteffeß sein?
     
    MICHAEL
    Der J – F – S, Sir. Der Jüdische Freistaat.
     
    LEO
    Ach so, gewiß. JFS. Ich verstehe. Was wissen Sie denn über diesen JFS?
     
    MICHAEL (zuckt die Schultern)
    Na ja, nur, was alle wissen. Es gibt ja allerhand Gerüchte. Aber wissen Sie …
     
    LEO (nickt)
    Ja. Gerüchte gibt es immer.
     
    MICHAEL
    Also, tut mir leid wegen dem Unfall, Sir … ich glaub, ich werd dann mal wieder.
    MICHAEL betrachtet hilflos sein Fahrrad, dessen Vorderrad eine Acht, einen Platten und verbogene Speichen aufweist.
     
    LEO
    Sie wollen wieder los? Um Himmels willen, wie können Sie so reden? Sie müssen hereinkommen und sich säubern. Ich werde Ihr Fahrrad reparieren lassen.
     
    MICHAEL
    Ach, das ist nicht nötig, Sir …
     
    LEO
    Nein, wirklich, ich bestehe darauf. Bitte. Und später kann ich Sie mit

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