Geschichte machen: Roman (German Edition)
will ich was abhaben. Ich will cool sein.«
»Es heißt, nebenbei bemerkt, ›Chill-
out
‹, nicht ›Chill-
off
‹.«
»Mir doch egal. Ich will schräge Klamotten tragen und lange Haare haben, ohne daß ich mir einen Verweis vom College einhandle oder Krach mit meinen Eltern kriege. Wenn du das hier machst, landest du im Ghetto, und die Polizei veranstaltet eine Rabatzia nach der anderen.«
»Und es heißt ›Razzia‹. Du machst Rabatz – die machen eine Razzia. Außerdem hab ich langsam das Gefühl, daß ich dir einen falschen Eindruck von meiner Welt vermittelt habe. Weißt du, das ist auch keine ewige Party. Ecstasy ist verboten, und in Gegenwart seiner Eltern spricht man nicht von Motherfuckern. Jedenfalls nicht in der weißen Mittelschicht.«
»Na und? Darf ich das alles vielleicht selber rausfinden? Ich will diese Ausdrücke wenigstens ausprobieren und dieses Leben in vollen Zügen genießen, okay? Schließlich hast du es mir überhaupt erst weggenommen.«
»Mag sein«, sagte ich zweifelnd. »Ich frage mich bloß, ob …«
»Außerdem geht es bei der ganzen Sache nicht nur um die Gegenwart«, unterbrach er mich. »Du vergißt die Geschichte. Glaubst du vielleicht, du kannst die einfach lassen, wie sie ist?«
»Schon gut, schon gut«, lenkte ich ein. »Hast gewonnen. Ich bin einfach hysterisch. Aber was ist, wenn nun etwas schiefgeht?«
»Es ist längst schiefgegangen, kapierst du das denn nicht? Wir wollen es wieder geradebiegen.«
»Aber wenn ich nun aufwache und mich diesmal nicht wieder erinnern kann?«
»Was macht das schon? Du kriegst es ja nicht mit.«
»Und was wird aus dir? Stell dir vor, du landest plötzlich mit deinem alten Ich und einem verkehrten Akzent in einem wildfremden Land und hast so wie ich hier am Anfang keine Ahnung, wie du da hingeraten bist. Man wird dich für verrückt erklären. Mensch, stell dir vor, du sprichst nicht mal die Landessprache.«
»Das Risiko muß ich eben eingehen.«
»Nein«, sagte ich und packte ihn am Arm. »Puh, ein Glück, daß ich daran gedacht habe. Du darfst einfach nicht dabeisein. Wenn wir die Maschine einschalten, mußt du weit weg sein. Dann kann dir nicht passieren, was mir passiert ist.«
»Verdammt, Mikey. Sag so was nicht! Wir ziehen das zusammen durch.«
»Kommt gar nicht in die Tüte, Steve. Du mußt –«
»Warum machen Sie solchen Lärm?« Leo trat aus dem Dunkel und fauchte uns an. »Wollen Sie vielleicht, daß ganz Princeton von uns erfährt?«
»Mikey hat gesagt, ich darf nicht mitkommen«, quengelteSteve wie ein Kind, dem man eine Süßigkeit verbietet. »Sagen Sie ihm, daß ich sehr wohl mitkann.«
Ich erklärte Leo meine Gründe.
Er überlegte sich seine Antwort sehr genau. »Ich fürchte, Mikey hat recht«, sagte er schließlich. »Falls Sie vom Ereignishorizont erfaßt werden und Ihre jetzige Identität beibehalten, könnte das für Ihr Leben hinterher schwerwiegende Folgen haben. Das Risiko ist zu groß.«
»Aber –«
»Nein. Ich glaube, Sie helfen uns am meisten, wenn Sie uns allein lassen«, sagte Leo mit Nachdruck. »Sie haben uns bereits große Dienste geleistet.«
Wir brauchten zehn Minuten, um Steve mit gutem Zureden und Schmeicheleien zu überzeugen.
»Es tut mir ehrlich leid«, sagte ich, als er mir eingeschnappt den silbernen Objektivkasten gab. »Aber du mußt doch einsehen …«
»Jaja«, sagte er. »Ich muß immer alles einsehen.«
Ich hielt ihm die Hand hin. »Kopf hoch«, sagte ich. »Vielleicht geht alles in den Teich. Vielleicht finden wir in zwei Stunden heraus, daß es in dieser Welt gar nicht klappen kann. Vielleicht sitz ich bis in alle Ewigkeit hier fest.«
Er nahm die dargebotene Hand. »Vielleicht«, sagte er. »Aber höchstwahrscheinlich sehe ich dich nie wieder, und …«
»Und was?«
»Du warst freundlich zu mir, Mikey. Ich weiß, daß sonst nichts dahintersteckte. Es war reine Freundlichkeit. Aber damit hast du mich in den letzten Tagen glücklich gemacht. Glücklicher, als ich es je gewesen bin. Vielleicht glücklicher, als ich es in irgendeiner Welt sein könnte.«
»Was willst du damit sagen, daß sonst nichts dahintersteckte? Es war keine
Freundlichkeit
. Ich mag dich, Steve. Das mußt du doch gemerkt haben.«
»Klar magst du mich. Aber in deinem England wirst du eine Freundin haben.«
»Das möcht ich bezweifeln. Ich habe in meinem ganzen Leben nur eine einzige Freundin gehabt, und die ist mir weggelaufen. Aber wenn hier erst wieder alles in Ordnung ist, wirst du einen
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