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Geschichte machen: Roman (German Edition)

Geschichte machen: Roman (German Edition)

Titel: Geschichte machen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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Marshmallows.
    Ich zündete mir noch eine Zigarette an. Wegen des Asthmaanfalls konnte ich nicht inhalieren, trotzdem hatte die künstliche Sterilität des wohlvertrauten Stadtgifts etwas Beruhigendes. Hätte ich bloß eine Decke mitgenommen. Nichts aus Wolle, Baumwolle oder sonst etwas Natürlichem, sondern eine schäbige, billige Nylon- oder Polyesterdecke. Das wäre gleichsam ein Floß der Zivilisation auf dieser krabbelnden Sargassosee gewesen.
    Nervös, ich war eindeutig nervös. Ich sah auf die Uhr.
    Nicht mehr lange, gleich war es soweit. In fünf Minuten wüßte ich, ob Leo mir traute. Dann wußte ich, ob –
    HERRGOTT, MEINE BEINE BRANNTEN!
    Was hatte ich angestellt? Mit der beschissenen Zigarette den beschissenen Baum in Brand gesteckt?
    Ich klatschte mir auf die Beine und schrie vor Schmerz. Ich sah weder Flammen noch Rauchwolken. Als ich mirdie Tränen aus den Augen gewischt hatte, konnte ich deutlich sehen, daß mir kein Feuer die Beine versengte.
    Bloß Ameisen.
    Hunderte von den Scheißdingern. Tausende. Vom Knie abwärts sah ich aus, als trüge ich lange, extradicht gewobene Ameisenstrümpfe.
    Verzweifelt versuchte ich, sie abzuwischen, und schrie, trat und bockte wie ein wild gewordener Stier.
    Als sich bei diesem Veitstanz auch noch eine Hand auf meine Schulter legte, verlor ich fast den Verstand.
    Ich stieß einen Entsetzensschrei aus und boxte blindwütig mit der Hand über die Schulter. Ich stieß ins Leere, und das war ein Glück, wie ich sofort merkte.
    »Mikey, was ist denn los?«
    Schon der Klang von Steves weicher, leiser Stimme beruhigte mich etwas.
    »Ameisen«, kreischte ich und fiel ihm um den Hals. »Ameisen, Ratten, Moskitos. Alles. Herrgott, Steve, wie konntest du bloß diesen Treffpunkt vorschlagen?«
    Er stieß mich sanft von sich. Über seine Schulter sah ich Leos Gesicht, das mich erschrocken ansah.
    »Feuerameisen«, sagte Steve und mußte sich zusammenreißen, um nicht laut loszulachen. »Es tut mir leid, ich hätte dich vor ihnen warnen müssen.«
    »Feuerameisen?« fragte ich. »Sind die giftig?«
    »Die brennen bloß ein bißchen. Komm her, setz dich hin. Ich mach dir den Rest ab.«
    »
Ein bißchen?
Die brennen
ein bißchen

    Steve streifte mir die restlichen Ameisen von den Waden. »Im Grunde sind das sehr schlaue kleine Geschöpfe. Weißt du, sie krabbeln dir an den Beinen hoch, lassen dich aber erst einmal in Ruhe. Sie warten ein Signal des Anführers ab, und dann beißen sie in einem Sturmangriff alle auf einmal zu. Wenn dich nämlich gleich die erste beißen würde, sobald sie die Gelegenheit hätte, dann würdest du das merken und dieanderen abwischen, bevor sie sich ebenfalls über den Schmaus hermachen könnten. Wirklich schlau, das mußt du der Evolution lassen. Ich hab Gegenmittel mitgebracht. Außerdem hast du dich anscheinend im Giftsumach gewälzt.«
    »Giftsumach?«
    »Genau«, sagte er und rieb mir Beine, Arme und Hals mit einem kühlenden Gel ein. »Unangenehm, was?«
    »Entschuldigen Sie bitte«, meinte ich zu Leo, der näher getreten war und wie eine Eule im Licht mit den Augen plinkerte. »Sie müssen mich für einen waschechten Hysteriker halten. Aber ich bin bloß das amerikanische Landleben nicht gewöhnt. Ich hatte mir etwas wie
Ferien auf dem Bauernhof
vorgestellt. Ich hatte keine Ahnung, daß es hier zugeht wie im tropischen Regenwald. Die Dummen sterben eben nicht aus.«
    Leo sah sich beklommen um, als befürchte auch er namenlose Schrecken in diesem Wald. Steves nächste Bemerkung goß noch zusätzlich Öl ins Feuer.
    »Hoffen wir bloß, daß es hier keine Lederzecken gibt.«
    »Lederzecken?« fragte ich und machte mich auf weitere Monster gefaßt. »Was zum Teufel sind Lederzecken?«
    »Frag lieber nicht, Kumpel. Vertrau mir einfach.«
    »Herr im Himmel!« jammerte ich.
    Steve schraubte die Salbentube zu und schlug mir wie eine sachliche Krankenschwester auf den Schenkel. »Das wär’s. Geht’s jetzt?«
    Das Gel linderte den Schmerz etwas, aber ich hatte immer noch das Gefühl, in Flammen zu stehen.
    »Besser, danke«, sagte ich. Jammern hatte keinen Sinn. Wir hatten noch zuviel vor uns. Ich erhob mich mühsam. »Hauptsache, ihr seid da.«
    »Aber klar doch«, sagte Steve.
    »Und ihr seid nicht verfolgt worden?«
    Leo schüttelte nachdrücklich den Kopf. »Nicht verfolgt«, sagte er.
    »Wir hatten überhaupt keine Probleme«, flötete Steve, der in seinen knallroten Shorts und T-Shirt aussah wie Mephistopheles’ Lehrling im

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