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Geschichte machen: Roman (German Edition)

Geschichte machen: Roman (German Edition)

Titel: Geschichte machen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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eigene Rolle im Plan spielen und hoffen, daß alles glimpflich ablief.
    Ich schwitzte und zog damit die Mücken und Moskitos an, deren Schwärme wie Wegelagerer die Seeufer bevölkerten. Ich war abgestiegen und schob das Fahrrad einen überwucherten Pfad entlang, der auf der Nordseite um den See herumführte. Der Verkehrslärm vom Highway One, der anderthalb Kilometer weiter südlich lag, drang über das Wasser, auf dem See glitt mit erstaunlichem Tempo ein Ruderachter vorbei, und die gebellten Kommandos des Steuermanns waren über die unbewegte Wasserfläche hinweg klar und deutlich zu hören.
    Bei einer plötzlichen Bewegung im Gebüsch zu meiner Linken erstarrte ich. Mein Herz tobte in der Brust wie ein in die Falle gegangener Vogel.
    Plötzlich sprang eine ottergroße Ratte mit feuchten Striemen im Pelz vor mir auf den Weg und stieß fast mit meinem nagelneuen Vorderrad von Cyclorama zusammen. Ich schrie vor Entsetzen unwillkürlich auf, und die schockierte Ratte schlitterte und rutschte wie ein außer Kontrolle geratener Rennwagen. Sie hatte offensichtlich weit mehr Angst als ich, überschlug sich zweimal, kam wieder auf die Pfoten und schoß ins Unterholz zurück, wobei ihr Blätter, Zweige und Kieselsteine am Rücken klebten wie Totems an einem mexikanischen Brautkleid.
    »Ratten«, sagte ich mit meiner besten Indiana-Jones-Stimme. »Ich hasse Ratten.«
    Ich sah und hörte noch mehr von ihnen, während ich zum vereinbarten Treffpunkt weitereilte.
    Vielleicht waren es gar keine Ratten. Vielleicht waren es Murmeltiere oder Ziesel. Nicht, daß ich mir darunter etwas vorstellen konnte. Ich kannte so was nur aus den Bill-Murray-Filmen
Und täglich grüßt das Murmeltier
oder
Caddyshack
. War ein Murmeltier dasselbe wie ein Ziesel? Und gab es da nicht noch ein anderes amerikanisches Nagetier? Wie hieß das noch gleich? Sumpfbiber, genau. Vielleicht hatte ich Sumpfbiber gesehen. Oder sogar Opossums.
    Egal, wie sie hießen, ich haßte sie wie die Pest und schlug beim Weitergehen soviel Krach wie möglich, um sie zu verscheuchen.
    Nach weiteren zwanzig Minuten erreichte ich endlich die Stelle, wo sich der Weg teilte. Rechts schlängelte er sich weiterhin am Seerand entlang, links führte er in das Reich der Ratten, Ziesel, Sumpfbiber, Beutelratten und Murmeltiere. Wie ein echter Dschungelforscher schlug ich im Nacken eine Mücke tot und wandte mich nach links.
    Nachdem ich mich zweihundert Meter durch tiefhängende Äste gekämpft hatte, erreichte ich eine Lichtung. Ich erblickte eine hohe Weißbirke und daneben den riesigen flechtenüberzogenen Baumstumpf, den Steve mir beschrieben hatte. Ich setzte mich auf den Stumpf und rauchte wie ein Schlot, um mir Rinderbremsen und Schmeißfliegen vom Leib zu halten.
    Auf der Lichtung herrschte ekelhafter Gestank, weit schlimmer als der Sumpfmief, der einem in Ufernähe sonst immer in die Nase steigt. Ich merkte, wie mir die Galle hochkam. Für Galle lies Mittagessen. Auch das Rauchen war zwecklos, weder schreckte es die Insekten ab, noch überdeckte es den Gestank. Ich stand auf und bekam kaum noch Luft. Nach ein paar Schritten wurde es besser. Anscheinend hatte der Mief einen eng umgrenzten Ursprung.
    Ich holte mein Taschentuch heraus, hielt es vor Mund und Nase und schlich langsam zum Baumstumpf zurück, über dem nach wie vor ein Mückenschwarm auf und ab tanzte. Ich spähte vorsichtig über den Stumpf und mußte mich sofort übergeben.
    Im hohen Gras lagen zwei tote Ratten, die sich wie schlafendeKinder mit festgeschlossenen Augen umklammerten, ihr Fell wimmelte vor kleinen, weißen, kaum kommagroßen Maden. Ich wischte mir den Mund ab und dachte, daß die Kotzelache neben ihnen für das tückische Gewürm, das diese Wälder bevölkerte, noch eine schmackhafte Delikatesse darstellen mußte.
    Ich lehnte mich gegen einen Baum, möglichst weit weg von dem Stumpf, und dachte über Werden und Vergehen in der Natur nach.
    Am Hals und an den Händen breiteten sich brennende rote Quaddeln aus. Keine Insektenbisse, sondern eher eine allergische Reaktion. Als Kind habe ich unter leichtem Heuschnupfen gelitten. Ich dachte zwar, den hätte ich längst hinter mir, aber die üppige Flora und Fauna dieser Seelandschaft, all die Pollen und Flechten, Ratten und Käfer, Gräser, Samen und Sporen schienen eine Wolke toxischer Allergene zu verströmen, die meine Haut und meine Lunge meutern ließen. Ich spürte, daß sich meine Brust asthmatisch zusammenzog, und meine Augen schwollen an wie

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