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Geschichte machen: Roman (German Edition)

Geschichte machen: Roman (German Edition)

Titel: Geschichte machen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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durchdringenden Augen, mächtigen Schwingen und Klauen, von denen das Blut des Schweins herabtropfte.

Reinemachen
    Kleine orangefarbene Pillen
     
    Eine rote Lösung tropfte in eins von diesen wendelförmigen, schraubenähnlichen Dingsdas, die Biologen so lieben, und ich konnte mich von dem Anblick nicht losreißen. Janes Arbeit war für mich schon immer ein Buch mit sieben Siegeln gewesen, und das fand sie auch ganz gut so, aber dem ganzen Drumherum ließ sich eine gewisse Ästhetik nicht absprechen. Retortenständer, Kapillaren und durchsichtige Plastikschläuche standen oder liefen durch das ganze Labor, um und um, rauf und runter, rein und raus, im und gegen den Uhrzeigersinn, im Zick und im Zack. Und es gab Zentrifugen, betörender, als man sich träumen läßt. Ich hatte oft zugesehen, wie sie mit einer Pipettierpistole einen winzigen, gefärbten Klecks von irgendeinem Schmadder mit leisem Plipp in schmale Reagenzgläser füllte, die wie hungrige Nestlinge in einer runden Trommel angeordnet waren. Waren alle Glasschnäbel gefüllt, wurde die Trommel in Rotation versetzt. Die Chrompräzision und das tiefe Summen des Apparats fand ich total scharf. Das alles war viel solider gebaut als ein Geschirrspüler oder ein Wäschetrockner. Keinerlei Vibration, einfach nur solide, reibungslos und wissenschaftlich, genau wie Jane selbst. Auf einem benachbarten Labortisch gab es bunte Glasplättchen mit einem Gel zu sehen, das in der Mitte eine andersfarbige Marmorierung aufwies, wie in der Auslage einer Konditorei oder wie die gewellten Blutfäden, die man manchmal im Eidotter findet. Jane nannte ihr Labor »die Küche«; vor dem rostfreien Stahl und den Gläsern mit organischer Pampe und bunten Flüssigkeiten fühlte ich mich immer wie ein kleiner Junge, wie der hilfsbereite, ungeduldige Sohn, der zusieht, wie seine Mutter Kuchenteig knetet und ausrollt.
    Das Genesammeln ist bekanntlich eine Wachstumsbranche. Man redet der Welt ein, man arbeite an einem Mammutprogramm namens Menschliches Genomprojekt, was lobenswert und nobel ist – im Idealfall sogar Nobel –, gute Wissenschaft, großer Schritt für die Menschheit, Grenzen des Wissens hinausschieben, der ganze Kram, aber in Wirklichkeit will man bloß ein neues Gen finden und schnurstracks patentieren lassen, bevor die Konkurrenz darüber stolpert. Allein in Cambridge gab es ein paar Dutzend kommerzielle »Biotechnik«-Firmen. Weiß Gott, was die so alles auskungelten. Nicht, daß Jane korrupt gewesen wäre. Jane doch nicht.
    Manchmal versuchte ich, sie mit Fragen zu ihrem Beruf in die Enge zu treiben.
    Was würde sie machen, wenn sie herausfände, daß es wirklich ein Schwulen-Gen gebe? Oder daß schwarze Menschen weniger sprachbegabt seien als weiße? Oder daß Asiaten sich besser auf Mathematik verstünden als Kaukasier? Oder daß Juden von Natur aus niederträchtig seien? Oder daß Frauen dümmer seien als Männer? Oder Männer dümmer als Frauen? Oder daß Religiosität auf Veranlagung beruhe? Oder daß dieses spezielle Gen kriminelle Eigenschaften fördere und jenes Alzheimer? Ob ihr eigentlich klar sei, was das für Versicherungsfragen mit sich brächte und daß sie den Rassisten damit jede Menge Munition liefere?
    Sie sagte dann immer, diese Brücke würde sie überschreiten, wenn sie sie erreicht hätte, außerdem arbeite sie auf einem ganz anderen Gebiet. Und ansonsten: Wäre es vielleicht
mein
Problem, wenn ich entdeckte, daß Churchill den ganzen Krieg über die Queen gevögelt hätte? Ich berichtete doch auch nur, was geschehen sei, und die Interpretation der Begebenheiten sei Angelegenheit der ganzen Menschheit. In den Naturwissenschaften sei es dasselbe. Es sei schließlich nicht Darwins Problem gewesen, daß Adam und Eva nicht von Gott erschaffen worden seien, sondern das der Bischöfe.Meine Vorwürfe könne ich doch nicht dem Boten machen, ich solle lieber endlich erwachsen werden und mich an die eigene Nase fassen.
    Ich schnippte mit dem Fingernagel an das tropfende Röhrchen. Janes linkischer Assistent Donald war vor zehn Minuten davongeschlurft, um sie zu suchen. Am Ende des Korridors hörte ich Türenschlagen und richtete mich auf. Jane konnte es nicht ausstehen, wenn ich bei ihren Versuchsaufbauten etwas anrührte.
    »Na, ich freß doch ’n Besen. Es traut sich wirklich her. Es besitzt tatsächlich die Frechheit, hier aufzukreuzen und uns ins Gesicht zu sehen.«
    »Hi, Babe …«
    »Hast du etwas angefaßt? Sag Mutter lieber gleich, was du

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