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Geschichte machen: Roman (German Edition)

Geschichte machen: Roman (German Edition)

Titel: Geschichte machen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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ungefährlich.«
    »Hängt ganz davon ab, was du unter ›gefährlich‹ verstehst, Schnullerbacke. Das Mittel ist beispielsweise noch nicht an Menschen erprobt worden.«
    »Na prima, dann kann ich ja dein Versuchskaninchen spielen, oder?«
    »Nein, du Blödmann, das kannst du eben nicht!« tobte sie. »Ihre Wirkung ist irreversibel.«
    »Das meinst du doch nicht im Ernst!«
    »O doch, und es wäre sogar der bittere Ernst für deinen kleinen Johannes. Sie sterilisieren auf Dauer.«
    Ich mußte schlucken. »O.«
    »Genau. O.«
    »Das wäre also fast ins Auge gegangen.«
    »Nicht, daß einer vernünftigen Welt die Verbreitung deiner Erbmasse zu wünschen wäre.«
    »Du solltest das Zeug im Giftschrank aufbewahren.«
    »Ich sollte
dich
im Giftschrank aufbewahren. Wir brauchen eine klare Regel, Puppy. Du kommst meiner Arbeit nicht mehr in die Quere, und ich komme deiner Arbeit nicht mehr in die Quere. Auf die Weise lassen sich Katastrophen vielleicht vermeiden. Einverstanden?«
    »Klar, von mir aus«, sagte ich und stand auf. »Tut mir leid. Paß auf, ich muß langsam die Flatter machen, okay?«
    Sie sah mich an, und ein Lächeln überzog ihr Gesicht. »Besteht die Möglichkeit, daß du nach Abgabe deiner Dissertation endlich anfängst, anständiges Englisch zu sprechen?«
    »Meinst’n das?«
    »Dieses ganze ›cool‹ und ›abgespacet‹ und ›wow‹ … was soll das bloß? In einem Jahr bist du wahrscheinlich Fellow an diesem College. Glaubst du vielleicht, Trevor-Roper hätte Bemerkungen wie ›yeah, man … echt
cool!
‹ von sich gegeben? Schatz, das ist einfach bizarr. Du spinnst einfach.«
    »Weißt du«, sagte ich und setzte mich wieder. »Das Problem ist, daß wir Historiker ein Imageproblem haben.« Das war eine meiner fixen Ideen, von der ich ihr aber noch nie erzählt hatte. Ich glättete die Arbeitsfläche des Labortisches mit den Handkanten, als teilte ich ein Salzhäufchen in zwei. »Es gibt zwei Historikersorten, weißt du? Auf dieser Seite hast du Typ A, die früh Vergreisten à la Hayek, Peterhouseund Cowling; ›Spectator‹-Leser, ›Thatcher war eine Göttin, und ich will Privatsekretär für einen Tory-Abgeordneten werden‹, ja? Auf der anderen Seite hast du Typ B, die Theoriefreaks à la Christopher Hill, Althusser und E. P. Thompson, die Poststrukturalisten, für die alle Geschichte nur Text ist, und die Altlinken, für die der einzelne nichts und die Klasse alles ist.«
    »Und zu welchem Typ gehörst du, Pup?«
    »Zu keinem von beiden.«
    »Zu keinem von beiden. Soso. Dann läßt mich meine wissenschaftliche Vorbildung die Hypothese formulieren, daß es
mehr
als zwei Typen geben muß. Es gibt einen Typ C.«
    »Genau, du Schlauberger. Ich will auf folgendes hinaus: Was machst du angesichts dieses Imageproblems? Der Junggreis stammt stilistisch aus den Vierzigern und Fünfzigern, der Theoriefreak aus den Sechzigern und Siebzigern. Beide sind also von gestern und locken in der Geschichtswissenschaft keinen Hund mehr hinterm Ofen vor. Ich finde, daß ein Historiker seiner eigenen Zeit stärker verhaftet sein sollte als irgendeiner anderen. Wie kann man eine vergangene Epoche historisieren, wenn man sich mit seiner eigenen nicht voll und ganz identifiziert, hm? Man muß in seiner Gegenwart wurzeln. Und ich gehöre ins Jetzt.«
    »›Ich gehöre ins Jetzt?‹« wiederholte Jane. »
›Ich gehöre ins Jetzt‹?
Hast du das wirklich gerade gesagt? Und
›historisieren‹

    »Na ja, gut, der Jargon ist etwas gewöhnungsbedürftig.«
    »Mm. Du hast also einen dritten Typ erfunden, Typ C, den Geschichtssurfer. Die Zehen um den Brettrand gekrümmt, rauscht er durch die Brecher des Gestern und die gefährliche Brandung der Vergangenheit. Dr. Keanu Young, Dr. Trendy.«
    »Genau. Traurig, was?«
    »Ein bißchen, Schatz, nur ein bißchen. Aber solange du dir dessen bewußt bist, ist vielleicht noch nicht Hopfen und Malz verloren. Es geistern schon so viele Althippies durchdie Fakultäten und
Senior Common Rooms
dieser Welt, da dürfte ein Altsurfer gar nicht weiter auffallen.«
    »Yo, muß ’n Abgang machen, Alte.«
    Wir küßten uns noch einmal, und ich verzog mich aus dem Labor, bevor sie wieder sauer werden konnte.
    Ich machte einen kleinen Umweg, als ich zu den Fahrradständern ging. Ja, da stand sie in all ihrer Pracht. Unsere kleine Clio. Auf der Kühlerhaube keine Spur mehr von meiner kalligraphischen Schweißarbeit. Blöde Biologen. Zum Teufel, was war dieses Freon überhaupt? Ich hockte mich

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