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Geschichte machen: Roman (German Edition)

Geschichte machen: Roman (German Edition)

Titel: Geschichte machen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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sich gestärkt fühlen. Sie wirdsich an keine Schmerzen erinnern können. Das gehört zu den Gnaden von Mutter Natur.«
    Alois beugte sich zu Klara hinab und küßte sie auf die blutbeschmierte Stirn. »Schau ihn dir an, mein kluges Mädchen. Schau ihn dir an! Da ist er! Mein Junge! Mein herrlicher Junge!«

Konversation machen
    Kaffee und Schokolade
     
    »Mein Junge! Und pünktlich auf die Minute! Der Kaffee läuft noch durch, müßte aber jeden Augenblick fertig sein. Nur hereinspaziert! Hier sieht’s zwar aus wie bei Hempels unterm Sofa – Sie sprechen doch Deutsch, oder? natürlich! –, aber Sie finden schon irgendwo ein Sitzplätzchen. Wie wär’s hier? Prima. Ich bin sofort wieder da, ich hole nur eben Tassen. Für Sie, Michael Young, Tassen.«
    Ich setze mich, falte die Hände im Schoß und mustere meine Umgebung, während er in der Dienerkammer das Kaffeegeschirr zusammenstellt.
    »Na ja,
sprechen
wäre zuviel gesagt«, rufe ich ihm nach. »Ich kann mit Müh und Not meine deutschen Quellen
lesen
. Ich habe einen Freund, der mir bei den … wie soll ich sagen, bei den schwierigeren Redewendungen hilft.« Da er mit dem Geschirr klappert, weiß ich nicht genau, ob er mich versteht.
    Eine schöne Wohnung hat er sich besorgt, das muß ihm der Neid lassen. Zwei Erkerfenster auf den Hawthorn Tree Court hinaus, mit Blick auf den Cam und ein Stück weiter die Sonnet Bridge. An zwei Wänden stehen Bücherregale, die bis unter die Decke reichen. Ich stehe auf, um sie mir besser anschauen zu können.
    Mein lieber Herr Gesangverein!
    Primo Levi, Ernst Klee, George Steiner, Baruch Fiedler, Lev Bronstein, Willi Dreßen, Marthe Wencke, Volker Rieß, Elie Wiesel, György Konrád, Hannah Arendt, Daniel Jonah Goldhagen und so weiter und so fort. Ein Bord nach dem anderen, jedes Buch zum Thema, von dem ich je gehört habe, und etliche, Dutzende,
Hunderte
, von denen ich noch nie gehört habe.
    Falls Zuckermann moderne Geschichte lehren sollte, warum ist er mir dann nie über den Weg gelaufen? Weiter unten stehen Bücher mit allgemeineren Themen. Das hier kenne ich gut, Snyders
Roots of German Nationalism,
Indiana University Press. Ich kann fast seine ISBN-Nummer zitieren – und habe es in der Bibliographie des Meisterwerks natürlich auch getan, die erst vorletzte Nacht fertig geworden ist. Ich nehme Snyder aus dem Regal und folge damit dem widersinnigen Impuls, der uns bei anderen Leuten immer als erstes die Sachen untersuchen läßt, die wir mit ihnen gemeinsam haben. Neulich habe ich irgendwo gelesen, Werbeagenturen für Autokonzerne hätten herausgefunden, daß die meisten Leute lieber Anzeigen für die Automarke lesen, die sie sich gerade gekauft haben, als für irgendeine andere. Hier handelt es sich vermutlich um dasselbe Syndrom. Vielleicht haben wir auch das Gefühl, die Privatsphäre anderer Leute weniger zu verletzen, wenn wir uns nur Objekte anschauen, die wir ebenfalls besitzen, als wenn wir unsere Nase in irgend etwas Unbekanntes stecken. Ist ja auch egal.
    »›Der politische Nationalismus‹«, zitiert Zuckermann und tritt mit einem wackligen Tablett ins Zimmer, »›ist für den Europäer unserer Tage das Allerwichtigste auf der Welt geworden; weit wichtiger als Humanität, Takt, Anstand und Glaube, ja wichtiger als das Leben selbst.‹ Korrekt zitiert?«
    »Wortwörtlich«, sage ich gebührend beeindruckt.
    »Und wann hat Norman Angell das gesagt? Noch vor dem Ersten Weltkrieg, oder? Ein echter Prophet.«
    »Moment, ich helf Ihnen.«
    »Danke, nicht nötig. Ich stell’s hier ab. So? Milch? Zucker?«
    »Nur Milch, keinen Zucker, Mann.« Witz komm raus, du bist umzingelt.
    »Zucker, Mann – Zuckermann! Köstlich!«
    Vermutlich lacht er mehr, weil ich nach meinem gräßlichenKalauer knallrot anlaufe, und weniger über den brillanten Witz.
    »Ah, wie ich sehe, haben Sie Ihr Gepäck jetzt umgürtet. Sehr gute Idee.«
    Ich werfe einen Blick auf die alte, von einem Riemen zusammengehaltene Tasche auf dem Fußboden neben mir. »Ja. Wahrscheinlich muß ich mir langsam eine neue Tasche gönnen. Den ollen Ranzen hier schlepp ich schon seit der Grundschule mit mir rum.«
    »Hier. Wenn Sie mich bitte einen Augenblick entschuldigen würden.« Er reicht mir eine Tasse Kaffee und tritt mit einem dampfenden Becher, wahrscheinlich seiner heißen Schokolade, zu einem Laptop auf dem Schreibtisch. Er wirft einen Blick auf den Bildschirm und fährt mit dem Finger über das Trackpad: »Ich gönne mir gerade eine Partie mit

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