Geschichte machen: Roman (German Edition)
›nie wieder‹?«
»Ach, nichts Besonderes«, sagte Adi. »Hans und ich haben uns gerade über den Franzosen und den Helm des Obersten unterhalten.«
Hans war überrascht, wie glatt Adi die Lüge über die Lippen ging. So schnell und geschmeidig. Es lag auf der Hand, daß Adi mit niemandem über seine alles andere als glorreiche Vergangenheit in Wien sprechen wollte. Und daß er vor Gloder noch zurückhaltender war als vor anderen, war auch verständlich. Adi ließ sich von Rudis Charme nicht so schnell einwickeln wie andere. Hugo Gutmann, ihr alter Adjutant,hatte Gloder richtiggehend gehaßt, aber Gutmann war ja auch Jude gewesen, und Rudi hatte mit seiner Verachtung nie hinterm Berg gehalten. Im Gegenteil, einmal hatte er ihn sogar in aller Öffentlichkeit eine aufgeblasene Puffmutter genannt. Adi hatte auch nichts für Gutmann übriggehabt, obwohl er ihm die nachdrückliche Empfehlung für die Verleihung des Eisernen Kreuzes zu verdanken hatte. Loyalität Gutmann gegenüber war es also bestimmt nicht, was Adi so unempfänglich für Rudis einnehmende Persönlichkeit machte. Aber woher diese Unempfänglichkeit auch stammen mochte, es war merkwürdig, einen Kameraden so leicht und unbekümmert anzulügen … merkwürdig und etwas beunruhigend.
»Der Franzose und der Helm des Obersten?« fragte Rudi. »Hört sich ja an wie der Titel einer billigen Farce.«
»Haben Sie denn nichts davon gehört?« Adi klang verwundert. »Einer der Wachposten hat heute morgen gesehen, wie Oberst Baligands beste Pickelhaube triumphierend auf einem Gewehrlauf herumgeschwenkt wurde. Sie müssen sie letzte Nacht beim Angriff auf Flecks Unterstand erbeutet haben.«
»Diese beschissenen Froschfresser«, sagte Rudi. »Elende Kinderschänder.«
»Und deswegen meinte ich gerade zu Mend, daß wir sie zurückholen müssen.«
»Natürlich müssen wir das! Alles andere wäre eine Schande für das Regiment. Wir müssen sie zurückerobern und noch eine eigene Trophäe mitbringen. Wir müssen diesen naiven Pißgesichtern vom Sechsten endlich einmal zeigen, wie echte Männer kämpfen.«
Die alten Haudegen des Regiments List hatte es ziemlich verdrossen, daß man ihren nach vier Kriegsjahren arg gelichteten Reihen das 6. Fränkische Infanterie-Regiment aufgehalst hatte, für sie so überflüssig wie ein Kropf. Die bayrischen Veteranen hielten diese Milchbärte für weiche undempfindliche Jammerlappen, denen man erst noch zeigen mußte, was eine Harke war.
»Ich habe den Major um Erlaubnis gebeten, heute nacht ganz allein einen Vorstoß zu unternehmen«, sagte Adi. »Es handelt sich um Abschnitt K im Norden der neuen französischen Batterie. Ich kenne den Abschnitt in- und auswendig, schließlich waren das vor kurzem noch unsere Gräben, und ich habe regelmäßig Meldungen hingebracht. Aber der Major hat gesagt …« – Adi ahmte den gegenwärtigen Regimentsadjutanten (der Jude Gutmann war Anfang des Jahres bei einem Sturmangriff gefallen) täuschend ähnlich nach – »… er hat gesagt, ›ich kann unmöglich das Leben eines meiner Männer aufs Spiel setzen, der lediglich leichtsinniger Abenteuerlust frönt‹, und jetzt weiß ich eben nicht mehr weiter.« Er sah Gloder erwartungsvoll an, und Hans hätte schwören können, daß Herausforderung in seiner Stimme mitschwang.
»Nun ist Major Eckert ein Franke«, sagte Gloder. »Da müssen wir uns etwas einfallen lassen.«
Hans beobachtete Adi unauffällig. Die blaßblauen Augen starrten Rudi gespannt und erwartungsvoll an. Hans war verwirrt. War er darauf aus, doch noch die Erlaubnis zu einem Vorstoß zu bekommen? Ihm mußte doch klar sein, daß sich ein Hauptmann nicht über die Befehle eines Majors hinwegsetzen konnte. Aber was das anging, so hätte Hans auch nicht sagen können, wann Adi mit seiner Bitte an Eckert herangetreten sein wollte. Sie waren praktisch den ganzen Tag zusammengewesen. Vielleicht als Hans zur Morgenwäsche in den Waschräumen gewesen war. Trotzdem war hier etwas faul.
»Wenn ich’s nun doch versuche«, sagte Adi versonnen, »glauben Sie, Eckert würde mir aus der Befehlsverweigerung einen Strick drehen? Ich würde ja zu gern …«
»Du kannst einen direkten Befehl nicht mißachten«, sagte Rudi. »Laß das mal den Vater machen. Mir fällt schon was ein.«
Am nächsten Morgen trank Mend gerade den ersten Schluck übelriechenden Ersatzkaffee, als Ernst Schmitt in für ihn ungewöhnlicher Hektik auftauchte.
»Hans! Hast du schon gehört? O Gott, es ist einfach
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