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Geschichte machen: Roman (German Edition)

Geschichte machen: Roman (German Edition)

Titel: Geschichte machen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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nicht, irgendwas in der Art. Aber es kam heraus, als spielte ich Leo den Ball zu, forderte ihn auf zu erzählen, und als hielte ich mich mit meinem Urteil zurück.
    So verstand er es auch. »Sie können sich denken, daß so etwas nicht gerade zur Konversation taugt. Ich habe noch nie darüber gesprochen. Außer zu mir selbst.«
    Ich suchte verzweifelt nach einem konstruktiven Gesprächsbeitrag. »Aber Zuckermann …«, sagte ich, »das ist doch ein jüdischer Name, oder nicht? Gab es da nicht einen Dirigenten oder Musiker, irgendwas auf der Schiene?«
    »Pinchas Zukerman. Er ist Geiger und Dirigent. Bratsche spielt er auch. Jedesmal, wenn ich auf einem Plattencover oder in der Zeitung auf seinen Namen stoße, frage ich mich …«
    Leo setzte die Brille wieder auf und sank in den Sessel mirgegenüber. Wir saßen da und sahen uns an wie bei unserer ersten Begegnung. Aber diesmal gab es keinen Kaffee und keine heiße Schokolade. Nur den Raum zwischen uns.
    »Mein Vater hieß in Wirklichkeit Bauer«, sagte Leo. »Dietrich Josef Bauer. Geboren in Hannover im Juli 1904. In den zwanziger Jahren studierte er Histologie und Radiologie und erhielt eine Forschungsstelle am Institut für Anatomie an der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster unter Professor Johann Paul Kremer, von dem Sie gleich noch hören werden. 1932 wurde mein Vater Mitglied der NSDAP und arbeitete zwei Jahre lang als Sturmarzt in der 8. SS-Reiterstandarte.«
    »Sturmarzt?«
    »Arzt. In der SS fing fast alles mit ›Sturm-‹ an. Die Bezeichnung ›Sturmärzte‹ für Mediziner verrät einem gleich, wes Ungeistes Kind sie waren.
Sturmärzte!
« Wieder traten ihm Tränen in die Augen, und er schüttelte den Kopf. »Die Natur schreit auf.«
    Zum erstenmal in meinem Leben hätte ich gern geraucht. Ich merkte, daß mein linkes Bein unkontrollierbar auf dem Fußballen auf und ab wippte, dabei hatte ich geglaubt, diese Angewohnheit schon als hochpubertierender Sechzehnjähriger abgelegt zu haben.
    »Wie dem auch sei«, sagte Leo, nahm die Brille wieder ab und wischte sich noch einmal die Augen. »1941 wurde mein Vater zur Reserve der Waffen-SS eingezogen. Er bekam den Rang eines SS-Hauptscharführers, was etwas mehr als ein Feldwebel gewesen sein muß, wahrscheinlich ein Oberfeldwebel, aber ohne Ausbildungspflichten. Ein Pro-forma-Rang. Soviel habe ich bei meinen Nachforschungen herausgefunden.«
    »Kannten Sie ihn denn damals nicht? Ihren eigenen Vater?«
    »Dazu kommen wir gleich. Im September 1942 praktizierte er im Prager SS-Krankenhaus und erhielt eines Tages einen Brief seines alten Lehrers, Professor Kremer, der ihnüberhaupt erst auf die Idee gebracht hatte, der SS beizutreten. Kremer war inzwischen zum Untersturmführer befördert worden und arbeitete mit einem Zeitvertrag in einem polnischen Städtchen namens Auschwitz, das damals noch völlig unbekannt war. Kremer wollte an die Universität zurück und schlug meinen Vater als geeigneten Nachfolger vor. Ich war damals vier Jahre alt, und meine Mutter und ich wohnten noch in Münster. Mein Vorname war Axel. Ich kann mich an jene Zeit kaum erinnern. Im Oktober 1942 wurden wir aufgefordert, zu Papa nach Polen zu reisen, und da blieben wir dann zweieinhalb Jahre lang.«
    »Allen Ernstes mitten in Auschwitz?«
    »Gott behüte, nein! In der Stadt. Ja, in der Stadt. Immer in der Stadt.«
    Ich nickte.
    »Sie haben mich gefragt, ob ich mich an meinen Vater erinnern kann. Ich erzähle Ihnen, woran ich mich heute erinnern kann, nachdem ich es jahrelang verdrängt hatte. Aber im Alter wird das Langzeitgedächtnis bekanntlich immer besser. Heute erinnere ich mich an einen Mann, der mir permanent Injektionen verabreichte. Gegen Diphtherie, Typhus, Cholera. In Auschwitz-Stadt brachen immerzu Infektionskrankheiten aus, und die bekämpfte er bei mir mit allen Mitteln. Und ich erinnere mich an einen Mann, der abends immer Päckchen mit nach Hause brachte. Flaschen mit kroatischem Zwetschgenschnaps, frischgeschlachtete Kaninchen und Rebhühner, duftende Seifenriegel, Gläser mit gemahlenem Kaffee und für mich Buntpapier und Buntstifte. Sie dürfen nicht vergessen, daß das alles damals ein ungeheurer Luxus war. Einmal brachte er sogar eine Ananas mit. Eine Ananas! Er sprach nie von seiner Arbeit oder sagte nur, daß er nie von seiner Arbeit spräche. Deswegen nenne ich es ›Arbeit‹. Das war seine Bezeichnung. Er war gütig und fröhlich, und wahrscheinlich liebte ich ihn damals von ganzem Herzen.«
    »Und

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