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Geschichte machen: Roman (German Edition)

Geschichte machen: Roman (German Edition)

Titel: Geschichte machen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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warum sollte es dann der Feind tun?«
    »Hast du den Obergefreiten deswegen zusammengeschlagen?«
    Kürzlich hatte Adi alle überrascht, als er sich mit einem grobschlächtigen Obergefreiten aus Nürnberg angelegt hatte. »Der Krieg ist doch von vorn bis hinten ein einziger Beschiß«, hatte der gegrollt. »Das ist nicht unser Krieg, sondern einer der Hohenzollern. Ein Krieg der Aristokraten und Kapitalisten.«
    »Wie kannst du es wagen, so zu reden!« hatte Adi geschrien und sich auf ihn gestürzt. »Lügner! Verräter! Bolschewik!«
    Adi war Gefreiter, kannte aber keinen Respekt vor Dienstgraden an und für sich. Man hatte ihm schon vor Jahren eine Beförderung in Aussicht gestellt, aber es gab keine Bestimmung, der zufolge ein einfacher Meldegänger des Regiments weiter als bis zum Gefreiten aufsteigen konnte, und so war er Gefreiter geblieben.
    Der Nürnberger Obergefreite hatte seine Gorillafäuste wieder und wieder in Adis Gesicht getrieben, aber vergebens. Vielleicht fehlte ihm der Wille. Oder die richtige Weltanschauung. Schließlich blieb er jedenfalls im Schlamm liegen, Blut rann ihm aus Mund und Nase, und Adi stand über ihm, keuchte und hatte Spuckebläschen auf den Lippen.
    Mit den neuen Männern hatte er es sich damit verscherzt, trotz seines Eisernen Kreuzes II. Klasse und trotz seinesRufs als unermüdlicher Organisierer von Nachschub und Lebensmitteln I. Klasse. Die alten Frontschweine, Ignaz Westenkirchner, Ernst Schmitt, Rudi Gloder und Hans selber hatten dem blutrünstigen Österreicher auch weiterhin die Stange gehalten. Aber er war über einen Kameraden hergefallen, daran gab es nichts zu rütteln. Ohne ihn wäre das Leben angenehmer gewesen. Angenehmer, aber vielleicht auch gefährlicher, denn er kannte keine Furcht.
    Sie näherten sich dem Hauptverbindungsgraben, der den Spitznamen Kurfürstendamm trug. Adi ging langsamer.
    »Ich muß gerade an meine erste Entlausung denken«, sagte er unvermittelt.
    »Im Oktober sind’s vier Jahre«, sagte Hans prompt. Er sah über den Kudamm hinweg auf die vorderen Gräben und ins Niemandsland Richtung Ypern. »Vier Jahre her und vier Kilometer weit weg. Wir sind zum Ausgangspunkt zurückgekehrt, Adi. Ein Kilometer pro Jahr. Tolle Leistung. Toller Krieg.« Erschrocken schlug er die Hand vor den Mund. »Das ist kein Bolschewismus, ich schwör’s dir. Das sollte ein Witz sein.«
    Zu seiner Überraschung lächelte Adi mit echter Zuneigung. »Keine Angst, ich schlage keine Kameraden.« Kamerad – auch so ein Lieblingswort.
    »Gott sei Dank. Ich mag mein Gesicht nämlich.«
    »Möchte wissen warum.«
    Himmel, dachte Hans. Das war ja fast ein Witz.
    »Nein, stimmt nicht, das war nicht das erste Mal«, nahm Adi den Faden wieder auf. »Zum erstenmal bin ich in Wien vor fast zehn Jahren entlaust worden. Das nannte sich Obdachlosenheim, aber in Wirklichkeit war es ein ekelhaftes und schmachvolles Gefängnis. Die Zahlung meiner Waisenrente war eingestellt worden, und niemand wollte meine Aquarelle kaufen. Ich war der Mildtätigkeit des Staates auf Gedeih und Verderb ausgeliefert.«
    Hans verdrehte die Augen. Adi sprach so gut wie nie von seinem Zuhause oder seiner Kindheit. Wenn doch, verwickelteer sich meist in Widersprüche, und seiner Melodramatik wegen wurde er oft für einen Wirrkopf oder Lügner gehalten. ›Ich war der Mildtätigkeit des Staates auf Gedeih und Verderb ausgeliefert‹, also wirklich! ›Mußte mich bei den Pennern anstellen‹, das meinte er doch. Der hatte vielleicht Nerven.
    »Ach, du Armer.«
    Von Mitleid wollte Adi nichts wissen. »Ich beschwere mich nicht. Damals nicht und heute nicht. Aber das sag ich dir, Hans. Nie wieder. Nie wieder!«
    »
Nie wieder? Nie wieder?
« erklang hinter ihnen eine gutgelaunte Stimme. »So kenn ich unseren geliebten Adolf ja gar nicht.«
    Rudi Gloder trat zwischen sie und legte jedem eine Hand auf die Schulter.
    »Herr Hauptmann!« Zackig nahmen Adi und Hans Haltung an. Gloder war im Felde schnell und unaufhaltsam vom Gefreiten über den Obergefreiten und Stabsgefreiten zum Unteroffizier befördert worden. Daß er den großen Abgrund überwunden und es bis zum Leutnant, Oberleutnant und jetzt eben Hauptmann gebracht hatte, konnte nur Männer überraschen, die nie mit ihm zusammengelebt und neben ihm gekämpft hatten. Manchen Leuten war der Aufstieg angeboren.
    »Laßt den Unsinn«, meinte Rudi betreten. »Salutiert nur, wenn andere Offiziere dabei sind. Also raus mit der Sprache: Was meintest du mit deinem

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