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Geschichte machen: Roman (German Edition)

Geschichte machen: Roman (German Edition)

Titel: Geschichte machen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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rief Hans. »Feuer frei! Feuert hoch und fünf Minuten nach links!«
    Die Rauchpistolen klatschten verhaltenen Beifall. Hans beobachtete Adi, hinter dem die Rauchgranaten detonierten. Ein dichter Rauchvorhang stieg auf und breitete sich im Wind zwischenihm und den französischen Gräben aus. Ohne Pause oder einen Blick zurück taumelte Adi weiter auf die eigenen Linien zu. Ob er mit dem Rauch gerechnet hat? fragte sich Hans. Hat er sich einfach darauf verlassen, daß wir richtig reagieren? Vielleicht hätte er es in jedem Fall riskiert. Hans wußte zwar, daß Adi jede Menge Mut mitbrachte, aber die schiere Körperkraft hätte er ihm nicht zugetraut.
    »Was zum Teufel ist denn hier los?« Major Eckert kam mit zitternden Schnurrbartenden in den Graben marschiert. »Wer hat den Befehl gegeben, Rauchgranaten abzufeuern?«
    Ein junger Franke salutierte forsch. »Gefreiter Hitler, Herr Major.«
    »Hitler? Wer hat den befugt, einen solchen Befehl zu erteilen?«
    »Nein, Herr Major. Er hat nicht den Befehl erteilt. Er ist da draußen, Herr Major. Im Niemandsland. Er birgt die Leiche von Hauptmann Gloder.«
    »Gloder? Hauptmann Gloder ist tot? Wie? Was?«
    »Er hat letzte Nacht versucht, den Helm von Oberst Baligand zurückzuholen.«
    »Den Helm von Oberst Baligand? Mann, sind Sie betrunken?«
    »Nein, Herr Major. Die Franzosen müssen ihn am Donnerstag beim Angriff auf unsere Stellungen mitgenommen haben. Hauptmann Gloder wollte ihn zurückerobern. Das hat er auch geschafft, und er hat sogar noch die Galajacke eines Stabsoffiziers mitgehen lassen. Aber dann muß ihn ein Scharfschütze erwischt haben.«
    »Grundgütiger Himmel!«
    »Jawohl, Herr Major. Und jetzt ist Gefreiter Hitler unterwegs, um die Leiche zu retten. Stabsgefreiter Mend hat uns befohlen, ihm mit Rauchgranaten Deckung zu geben.«
    »Stimmt das, Mend?«
    Mend nahm Haltung an. »Zu Befehl, ja, Herr Major. Ich hielt das für die beste Lösung.«
    »Aber verdammt noch mal, die Franzosen könnten ja glauben, wir wollten angreifen.«
    Mend war so benommen und entsetzt, daß er nicht mehr klar denken konnte, brachte aber noch eine Antwort heraus. »Entschuldigen Herr Major, das kann nicht schaden. Der Franzmann verschwendet allenfalls ein paar tausend Schuß wertvolle Munition.«
    »Das alles läuft dem Reglement auf höchst ärgerliche Weise zuwider.«
    Als ob du dem Reglement entsprechen würdest, du brabbelnder Schulmeister, dachte Mend, bevor er sich wieder trüberen Gedanken zuwandte.
    »Wo ist Hitler jetzt?«
    Schmitt ließ die Augen nicht vom Feldstecher und bellte die Antwort heraus. »Er ist wieder am Draht, Herr Major! Er hat keinen Kratzer abbekommen, Herr Major! Er hat den Durchlaß gefunden. Er hat die Leiche. Und die Pickelhaube, Herr Major! Er hat sogar die Pickelhaube!«
    Unter den Männern brach tosender Jubel los, und sogar Major Eckert gestattete sich ein Lächeln.
    Völlig verwirrt sagte sich Hans immer und immer wieder, bis zu diesem Augenblick wußte Eckert von nichts. Eckert wußte
nichts!
Adi hatte ihm gestern gar nichts vom Helm des Obersten erzählt. Er hatte ihn nicht um die Erlaubnis zu einem Ausfall gebeten, obwohl er das vor Rudi und mir behauptet hatte. Warum hatte Adi bloß gelogen?
    Hans verließ den Graben, als Rudis Leiche gerade hineinrollte. Adi folgte mit der Pickelhaube des Obersten in der hocherhobenen rechten Hand. Der aufgeprägte Goldadler blitzte und funkelte in der Morgensonne.
    Während Hans ging, wuchs und schwoll in ihm der Jubel der Männer, bis er sich in einer Flut heißer Zornestränen Bahn brach.

Wiedergutmachen
    Axel Bauers Geschichte
     
    Mit dem Handrücken wischte sich Leo die Tränen von den Wangen. Ich saß mucksmäuschenstill im Sessel, zupfte Roßhaar und beobachtete ihn nervös. Das war das erste Mal, daß ich einen erwachsenen Mann weinen sah. Außer im Kino. Im Kino weinen erwachsene Männer ja rund um die Uhr. Aber da weinen sie lautlos. Leo dagegen weinte mit lauten Schluchzern und krampfhaftem Atemholen. Ich wartete, bis sich dieser furchtbare Sturm ausgetobt hatte.
    Nach zwei oder drei Minuten nahm er seine Brille ab und putzte sie mit dem breiten Ende seiner Krawatte. Er blinzelte mir mit nassen roten Augen zu.
    »Ja, ich weiß. Warum habe ich es Ihnen auch nicht früher gesagt? Warum habe ich Sie in dem Irrglauben gelassen, ich sei Jude?« Ich gab ein Geräusch von mir, das irgendwo zwischen Grunzen und Jaulen lag und Zustimmung ausdrücken sollte, Aufgeschlossenheit, Verständnis … ich weiß

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