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Geschichte machen: Roman (German Edition)

Geschichte machen: Roman (German Edition)

Titel: Geschichte machen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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auf ein Blatt Papier und reicht es dem auserwählten Häftling. Wie geht der wohl vor, was meinen Sie? Wahrscheinlich drückt er einen unbeschnittenen Gummistempel auf das Blatt, solange die Tinte noch feucht ist. Die Unterschrift überträgt sich spiegelbildlich auf den Stempelblock. Der Häftling schneidet sorgfältig den überflüssigen Gummi weg. Das macht er vielleicht im Büro, vielleicht auch in einer Werkstatt, jedenfalls irgendwo, wo er Zugang zu Messern hat. Sagen wir, er braucht eine Stunde, vielleicht auch länger, um einen hervorragenden Stempel abzuliefern und dem Herrn Professor Obersturmführer Kremer eine Freude zu machen, denn es lohnt sich, diesem eine Freude zu machen. Professor Kremer ist jetzt also stolzer Besitzer eines Stempels mit dem vollkommenen Abbild seiner Signatur, dem Pendant des 20. Jahrhunderts zu Siegelringen oder Petschaften früherer Jahrhunderte. Die beschwerlichen Zeiten gehören der Vergangenheit an, als er noch auf jedem Blatt persönlich unterzeichnen mußte. Jetzt muß er nur noch stempeln.
Rums, rums!
« Mit einer Vehemenz und Lautstärke, die mich hochfahren ließen, schlug sich Leo mit der rechten Faust in die linke Handfläche. »Und was wird aus dem Häftling, der den Stempel zugeschnitten hat? Taucht sein Name eines Tages über der so sorgfältig geschnittenen Signatur auf?
Rums, rums!
Und mein Vater? Hat sich der nach seiner Ankunft ebenfalls von einem Häftling einen Stempel machen lassen? Oder hat er gewartet, bis Berlin ihm etwas Offizielleres,so was richtig Schniekes geschickt hat?
Rums, rums!
« Er verstummte und rang nach Luft. »Ich mach mir jetzt eine Schokolade. Und Ihnen koch ich einen Kaffee. Vielleicht finde ich etwas zu knabbern.«
    Ich nickte benommen.
    »Sie denken jetzt, wie kann er nach so einer Erzählung bloß an Schokolade, Kaffee und Kekse denken?« sagte Leo, nachdem er nebenan Wasser aufgesetzt hatte. »Sie haben recht. Derselbe bodenlose Gedanke überfällt einen, wenn man die Schriften der Lagerleiter liest. ›Am Morgen ein lächerlicher Rebellionsversuch in den Duschräumen. Ein rundes Dutzend nackter Muselmänner‹ – die schwächsten Häftlinge wurden Muselmänner genannt, wußten Sie das? – ›Ein rundes Dutzend nackter Muselmänner versuchte zu fliehen. Kretschmer schoß jeden ins Bein und ließ sie zehn Minuten auf der Stelle hüpfen, bevor er sie liquidierte. Herrlich komischer Anblick. Zum Mittagessen köstliches Bier, das man uns aus Böhmen geschickt hat. Danach exquisites Kalbfleisch und Kaffee aus echten Bohnen. Weiterhin scheußliches Wetter.‹ Solche Sachen liest man immer wieder. Dasselbe in den Briefen an die Familie. ›Liebste Trudi, mein Gott, ist dieser Ort schrecklich. Die Unerschütterlichkeit, mit der die Männer ihre Arbeit verrichten, ist einfach heldenhaft. Jeden Tag kommen neue Juden an, und immer ist so viel zu tun. Du wärest stolz auf uns, wenn du sehen könntest, wie wenig sich die Wachen und Offiziere beschweren, während sie ihren Aufgaben im Lager nachgehen. Die Judenaffen können einen mit ihrem Gestank wahrhaftig bis aufs Blut reizen. Gib Mutti einen Kuß von mir, und sag Erich, daß ich in Zukunft bessere Leistungen in der Schule erwarte!‹ So waren sie nun einmal.«
    »Die Banalität des Bösen«, murmelte ich.
    Leo runzelte die Stirn. »Mag sein. Mir ist diese Wendung von jeher suspekt. Moment, der Kessel pfeift.«
    Vor den Fenstern war ein Rasenmäher angesprungen. Im Stockwerk unter uns klingelte ein Telefon, aber niemand hobab. Mit derselben femininen Sorgfalt wie beim ersten Mal setzte Leo das Tablett auf dem niedrigen Tischchen zwischen uns ab und goß mir Kaffee ein.
    »Weiter. Eines Tages Anfang 1945 ruft mich meine Mutter. Papa steht in Uniform neben ihr. In der schwarzen Uniform eines SS-Sturmbannführers, der er inzwischen ist. In der Uniform, die heute noch Millionen in Angst und Schrecken versetzt und bei ein paar Wahnsinnigen perversen Respekt und Kitzel auslöst. Die schwarze Mütze mit dem Totenkopfemblem über dem Schirm, am Kragen das SS-Abzeichen in Blitzrunen – allein diese Meisterleistung des Designs! Heutzutage würde man das ein ›Logo‹ nennen, nicht wahr? –, ausgestellte Reithose, blankgewienerte Stiefel, eine Jagdpeitsche, die so männlich am Schenkel entlangstreicht, Manschetten, Krawatte, gestärktes Hemd. Diese Genialität der Nazis. Eine solche Uniform verwandelt den lächerlichsten Tölpel in einen Übermenschen. Die Macht des Totems reicht bis in die

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