Geschichte machen: Roman (German Edition)
Mike.«
Ich sah ihn an, schlotterte vor Angst, und meine Furcht spiegelte sich in seinem Gesicht.
Mir traten Tränen in die Augen. »Es tut mir leid … ehrlich! Aber ich habe keine Ahnung, was hier eigentlich los ist. Warum kennst du mich, während ich keine Ahnung habe, wer du bist? Und dann der Verkehr. Die fahren ja alle auf der rechten Straßenseite. Wo sind wir? Bitte sag mir, wo wir sind.«
Er blieb vor mir stehen, legte mir beide Hände auf die Schultern, und ich spürte, wie er seine aufsteigende Panik bekämpfte und sich wünschte, er wäre kilometerweit weg von diesem Riesenschlamassel. Er sprach langsam und deutlich, wie man mit Schwerhörigen, Ausländern und Geisteskranken spricht.
»Mike, es ist alles in Ordnung. Ich glaube, du hast dir gestern abend den Kopf verletzt, und seitdem ist dein Gedächtnis gestört. Du redest auch ein bißchen komisch, aber das macht nichts. Sieh mich an. Ich hab gesagt, du sollst mich ansehen, Mikey!«
Meine greinende Fistelstimme vibrierte. »Aber wo bin ich? Bitte! Ich will endlich wissen, wo ich bin!«
»Ich bring dich jetzt zum Arzt, Mikey. Komm einfach mit, ja? Du kommst schon wieder auf die Beine. Du bist in Princeton, wo du hingehörst, und es gibt keinen Grund durchzudrehen, okay?«
Militärgeschichte
Der Franzose und der Helm des Obersten II
»Es ist heiß. Wir haben diese Bullenhitze, und trotzdem bestehen die darauf, daß wir noch Uniformröcke tragen.«
Schlurfend stiefelte Hans Mend über den Lattenrost auf die vorderen Gräben zu und zog laut und forsch über die Generäle her. Ernst Schmitt neben ihm blieb so wortkarg wie immer. Sein Kommentar beschränkte sich auf gelegentliches Rasseln seiner gasgeschädigten Lunge.
»Allerdings könnte denen auch ein Haubitzentreffer unterm Hintern einschlagen«, fuhr Hans fort, »selbst das würden sie wahrscheinlich noch als taktischen Sieg verbuchen.« Er machte eine höfliche Pause, aber sein Gesprächspartner ging darauf so wenig ein wie sonst auch. »Und dann der Franzmann und dieser vermaledeite Helm. Da muß doch etwas geschehen. Damit sich unsere fränkischen Welpen daran ein Beispiel nehmen. Denen muß man mal zeigen, daß wir Bayern uns eine solche Beleidigung nicht bieten lassen. Das schreit doch geradezu nach Rache.«
»Du hast gut reden«, sagte Schmitt.
Hans boxte Ernst freundschaftlich in die Rippen. »Probier’s doch auch mal! Hm? Haha!«
»Führt zu nichts.«
»Im Gegenteil, man vertreibt sich die Zeit, die Lunge bleibt in Form und der Geist in Übung.«
»Das ewige Phrasendreschen ist schuld, daß wir den Krieg verlieren.«
»Um Himmels willen, Ernst!« Hans fiel aus allen Wolken. »Wir verlieren den Krieg doch gar nicht. Militärisch schlagen wir uns hervorragend, wir sind klar im Vorteil. Nur an der Heimatfront verlieren wir. Die Moral wird von Bolschewisten, Pazifisten und Kulturschwuchteln durchlöchert.«
»Wer wird von Kulturschwuchteln durchlöchert?« erklang hinter ihnen eine gutgelaunte Stimme. »Hab ich einen preußischen Skandal verpaßt? Der hat uns gerade noch gefehlt.« Rudi Gloder trat zwischen sie und legte jedem eine Hand auf die Schulter.
Zackig nahmen Hans und Ernst Haltung an. »Herr Hauptmann!«
»Laßt den Unsinn«, meinte Rudi betreten. »Salutiert nur, wenn andere Offiziere dabei sind. Also raus mit der Sprache: Wen meintest du mit den ›Kulturschwuchteln‹?«
»Es ging um die Kampfmoral, Herr Hauptmann«, sagte Hans. »Schmitt und ich haben uns darüber unterhalten, wie die Moral in der Heimat unterminiert wird.«
»Hm. Gut gesagt. Der Feind in der Heimat wendet dieselben Methoden an wie der Feind in Frankreich. Untergraben und Unterminieren sind die einzigen Techniken, die auf dieser Walstatt Anwendung finden. Die Schlachtenkunst des zwanzigsten Jahrhunderts ist unseren geliebten Führern leider unbekannt. Unserem Erbfeind glücklicherweise ebenso.«
Walstatt!
Hans mochte den knabenhaften Ernst, mit dem Rudi in einem Gespräch über moderne Kriegsführung so ein altmodisches Wagnerwort benutzte.
»Der beschissene Franzmann versteht sich viel zu gut darauf«, sagte Ernst düster.
Rudi zog eine Braue hoch. »Wie meinst du das?«
»Ich glaube, er bezieht sich auf den Franzosen und den Helm des Obersten.«
»Der Franzose und der Helm des Obersten?« fragte Rudi. »Hört sich ja an wie der Titel einer billigen Farce.«
»Wahrscheinlich haben Sie noch nichts davon gehört, Herr Hauptmann«, sagte Hans.
»Ihr Meldegänger seid nun einmal die
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