Geschichte machen: Roman (German Edition)
rechte untere Hälfte steigt halb hoch und verklemmt sich dann, die Lamellen natürlich undurchsichtig. Ich bücke mich und schaue durch das freie Dreieck nach draußen.
Puh …
Das krieg ich nun schon gar nicht auf die Reihe.
Ein langer Flachbau direkt vor meiner Nase. Um die längs unterteilten Fenster rankt Efeu empor. Vielleicht St. John’s College? Hab ich etwa in St. John’s übernachtet?
Ich drehe mich ins Zimmer zurück und muß unwillkürlich lachen. Daß ich den Braten nicht früher gerochen habe … Moment mal …
Braten
…
Da fällt mir ein Witz ein.
MANN: Kellner, bei meinem Fleisch eben …
KELLNER: War damit etwas nicht in Ordnung, mein Herr?
MANN: Nun ja, auf der Speisekarte stand »Bœuf à l’Oasis«. Aber ich fand, das schmeckte wie ganz normaler Rollbraten.
KELLNER: Ganz recht, mein Herr. Es war normaler Rollbraten.
MANN: Warum nennen Sie das dann »Bœuf à l’Oasis«?
KELLNER: Ganz einfach:
(singt) »You’ve gotta roll with it …«
Tätää, tätää … Tusch!
Moment mal! Oasis erinnert mich an etwas Wichtiges. Was mit Jane zu tun hatte …
Aber Jane ist fort …
Ich überlege.
Nein, sie muß etwas über Oasis gesagt haben. Etwas … ach, sei’s drum. Ich will bloß noch nach Hause und ausschlafen.
»Ich will nach Hause« – ein schlichterer, schönerer Satz ward nie geschrieben.
Die Odyssee
,
Die unglaubliche Reise
,
Star Trek: Raumschiff Voyager
. Am Ende läuft es immer auf dasselbe hinaus: Man sucht den Heimweg.
Ich ging duschen – eine herrliche Dusche, das muß ich sagen, eine wunderbare Dusche; wenn ich’s mir recht überlegte, hatte das Duschen in meinem ganzen Leben noch nicht so viel Spaß gemacht wie dieser heiße, brausende, weitgefächerte Wolkenbruch, der mir wie glühendheißer Regen auf die Schultern prasselte. Ich wäre unter der Dusche fast umgekippt.
Klar, mit dem Kater und der angeschlagenen Birne hingich ziemlich in den Seilen. Aber wissen Sie, irgendwie fühlte ich mich gleichzeitig richtig fit. Mein Äußeres gefiel mir. Ich betastete meine Brustmuskulatur und dachte, vielleicht wird ja doch noch ein richtiger Mann aus mir. Ich sah auf meine Beine hinunter, und in dem Augenblick wäre ich fast umgekippt. Wäre Ihnen nicht anders gegangen.
Statt der Chino-Shorts und des Polohemds zog ich – frische Chino-Shorts und ein anderes Polohemd an, denn ich schwitzte trotz der frühen Tageszeit und der kochendheißen Dusche, und ein dünneres T-Shirt war nicht aufzutreiben. Ich sah mich ein letztes Mal verwirrt und ängstlich um und öffnete dann die Tür.
Ich trat nicht etwa wie erwartet in einen Flur, sondern ins nächste Zimmer. Volle Bücherregale, ein fremdartiger Computer, noch mehr Poster mit wildfremden Models, Musikern und Sportstars, ein kleiner Kühlschrank, ein Fensterbrett neben einem pseudogotischen Fenster … alles kam mir völlig fremd vor. Ich blieb nur kurz stehen und ging dann auf die nächste Tür zu.
Endlich ein Flur, der mich an Hotelkorridore erinnerte, obwohl er heller und breiter war; verwahrloster, aber zugleich prachtvoller. Nicht so zwanghaft gesaugt, gewachst und gebohnert; dabei feudaler und massiver gebaut – er glänzte regelrecht. Als ich in diesen Flur trat, stand ich vor einer Tür mit der Zahl 300, und unter der Zahl war ein Messingschild und eine Visitenkarte mit dem kalligraphierten Namen »Don Costello«. Ich drehte mich zu der Tür um, die ich gerade hinter mir geschlossen hatte.
Ich lief davon, unter den Armen brach mir Schweiß aus und rann am Körper hinab. Ich kam an weiteren Zimmern vorbei, einige mit weit offenen Türen, und ihre Bewohner saßen aufden Betten und zogen sich dicke weiße Socken an oder tapsten in um die Hüften geschlungenen Handtüchern hin und her. Am Ende des Korridors erreichte ich eine Glastür, drückte sie auf und stürzte auf eine breite Treppe aus blankgebohnerten Kieferndielen zu.
Die Hitze, die ungewohnten Gerüche, die hohen Glasfenster, die knarrenden Dielen, das alles vermengte sich in meinem Kopf und wurde herausgequetscht wie Ton zwischen zusammengepreßten Fingern. Wie am ersten Tag in einer neuen Schule überlief mich eine klamme Gänsehaut wie in einem Alptraum. Das bestürzende Gefühl allumfassender Furcht. Dabei weiß man nur zu gut, daß die Proportionen und Dimensionen der neuen Umgebung einem in Windeseile geläufig und die Perspektiven, Winkel und Blickfelder bald schrumpfen werden. Dann wird man im Flur stehen und das Bild
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