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Geschichte machen: Roman (German Edition)

Geschichte machen: Roman (German Edition)

Titel: Geschichte machen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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todsicher. Außerdem: Was sollte denn diese Homophobie eben?«
    »Die
was

    »Ich meine, was ist denn so schlimm daran, wenn man schwul ist?«
    Steve starrte mich an und flüsterte: »Du bist wahnsinnig!«
    »Wieso, ich denk, das hier ist Amerika? Da ist das doch der letzte Schrei, wollte sagen, da liegt das doch voll im Trend. Aber der Typ klang ja richtig nach Machokompanie.«
    Steve glotzte mich angsterfüllt an. »Ich glaube, wir sollten dich nach Henry Hall zurückbringen. Hau dich ’n bißchen aufs Ohr, bevor du zu diesem Professor Taylor gehst. Dann kannst du dich wenigstens nicht mehr in die Nesseln setzen.«
    »Gut«, sagte ich. Die neuen Erinnerungen, die Double Eddies Anblick ausgelöst hatte, durchschwappten mich so ungestüm, daß sie mir fast über die Lippen sprudelten. »Du hast recht. Ich muß allein sein.«

Revidierte Geschichte
    Sir William Mills (1856 –1932)
     
    Gloder saß allein am Schreibtisch und wartete auf die Dämmerung.
    Vor ihm lag ein Brief, der ihn offiziell über die Auszeichnung mit dem Eisernen Kreuz I. Klasse in Kenntnis setzte. Er lächelte ihn an und schob den Briefbogen in die Mitte des Schreibtischs. Alles lief nicht nur nach Plan, sondern weit besser, als er mit schierer Willenskraft je erreicht hätte. Gloder war alles andere als ein Phantast, er glaubte weder an eine Vorsehung ohne menschliches Nachhelfen noch an ein unausweichliches, gottgewolltes Schicksal des einzelnen. Er war ein ausgeglichener Mensch. Seiner Meinung nach gab es zwischen dem Willen und dem Schicksal eine Sphäre, in der man seine Zukunft aus den Materialien erschaffen konnte, die man dem Schicksal verdankte.
    Rudi hielt sich außerdem für einen großzügigen Mann. Seit er seine angeborenen Gaben kannte, wußte er auch instinktiv, daß sie nicht nur für ihn gedacht waren und nicht auf billige Vergnügungen oder skrupelloses Vorankommen verschwendet werden durften. Von klein auf hatte er gewußt, daß er diese Gaben einsetzen mußte, um seine Mitmenschen zu führen, deren überwältigende Mehrheit weder über seinen Verstand und seine Bildung noch auch nur über ein Zehntel seiner Ausdauer, seines Konzentrationsvermögens und seines Scharfsinns verfügte.
    Bei jedem anderen mochte diese Selbstsicherheit als Arroganz oder fixe Idee gelten. Bei Rudi nahm sie eine Form von Demut an. Es gab wenige Männer – und im Inferno des Krieges schon gar keine –, denen er das darlegen konnte. Einmal hatte er es schriftlich versucht.
    »Stell dir einen Mann vor«, hatte er geschrieben, »der einso scharfes Gehör hat, daß ihm nicht das geringste Geräusch entgeht. Ein Flüstern vernimmt er ebenso deutlich wie fernes Donnergrollen. Infolge der Geräuschüberflutung, der sich dieser Mann unaufhörlich ausgesetzt sieht, muß er entweder den Verstand verlieren oder Hörmethoden und Verfahren entwickeln, um dieses akustische Sperrfeuer verständlichen Mustern zuzuordnen. Allen Außenklängen muß er kohärente Form geben und eine Art Musik daraus komponieren.
    Ich bin ein solcher Mann: Ich sehe, höre, spüre und weiß so viel mehr als die Mehrheit meiner Mitmenschen, daß ich mir ein System erarbeiten mußte, eine allgemeine Weltmusik, die jedem anderen unverständlich bliebe, allem von meinem Verstand Durchdrungenen jedoch Struktur und Gestalt gibt. Diese Musik wird ununterbrochen um neue Eindrücke und Erkenntnisse bereichert, und auf diese Weise wächst sie.«
    Für Rudi war es weder Hybris noch Weltfremdheit, sich in seinem Selbstverständnis himmelweit über all den Krethi und Plethi anzusiedeln. Natürlich waren ihm Männer begegnet, deren akademisch geschultem Geist er nicht das Wasser reichen konnte. Hugo Gutmann zum Beispiel hatte weit mehr gelesen und sich besser auf abstraktes Philosophieren verstanden. Aber Gutmann hatte nicht mit Menschen umgehen können, er war außerstande gewesen, sich (um die Metapher beizubehalten) in die einfacheren Weisen der Menschheit hineinzuhören, in die Bierzeltlieder zum Mitschunkeln der gemeinen Soldaten ebensowenig wie in die sentimentalen Kunstlieder der Bildungsbürger. Außerdem war Gutmann tot. Gloder hatte auch Mathematiker und Naturwissenschaftler kennengelernt, denen er niemals ebenbürtig sein würde, aber diese Männer wiederum waren bar jeden Geschichtssinns, jeder Phantasie und jeden Mitgefühls gewesen. Auch Lyriker hatten seinen Weg gekreuzt, aber die hatten keinen Gefallen an Zahlen, Daten oder der logischen Verknüpfung reiner Ideen gefunden. Er hatte

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