Geschichten aus dem Ringwelt-Universum
steht fest, daß niemand außer uns einen Anspruch angemeldet hat. Klar, wir reichen unser Gesuch ein; das Schlimmste, was uns passieren kann, ist, daß sie den Antrag ablehnen.«
»Noch etwas. Ich habe noch kein Wort darüber verloren, weil ich wollte, daß du es mit eigenen Augen siehst, aber zum Teufel damit. Einer der Quader ist über und über mit tiefen Kratzern bedeckt.«
»Das sind sie alle.«
»Nicht so, wie dieser. Es sind tiefe Linien, und wenn mir meine Phantasie keinen Streich spielt, stehen sie alle in einem Winkel von fünfundvierzig Grad zueinander. Sie sind zu dünn, um es mit Sicherheit entscheiden zu können, aber ich glaube, daß es sich um etwas Ähnliches wie Schriftzeichen handelt.«
Gleich darauf betätigte Henry, ohne eine Antwort abzuwarten, die Druckluftdüsen. Er war ein Meister darin. Er bewegte sich wie ein Ballettänzer. Henry verlagerte immer wieder das Gewicht, doch das Fahrzeug schien sich nicht von der Stelle zu bewegen.
Etwas wurde im Sand sichtbar. Es war kein Felsen.
Ein Ding, das aussah, wie eine moderne Stahlplastik, ohne Sinn und Bedeutung und doch von einer eigenartigen Schönheit erfüllt. Etwas, das einmal eine Maschine gewesen und jetzt – nichts mehr war.
Henry Bedrosian schwebte über dem trichterförmigen Loch, das seine Düsen gegraben hatten. Der Gegenstand war jetzt fast vollständig zu erkennen. Daneben tauchte noch etwas anderes auf.
Eine Mumie.
Mit dem letzten bißchen Druckluft landete das Marsmobil weich auf dem Sand. Als Henry abstieg, ließ Chris sich in die Grube hinuntergleiten.
Die Mumie war ein Humanoid, etwa vier Fuß groß, mit langen Armen, langen, spitz zulaufenden, zerbrechlichen Fingern und einem vergleichsweise viel zu großen Schädel. Einzelheiten waren nicht erkennbar; die Zeit hatte alles verwischt. Chris konnte nicht einmal mit Sicherheit sagen, wie viele Finger der – Hominid – gehabt hatte. An einer Hand waren noch zwei vorhanden, an der anderen nur einer und ein flacher, abspreizbarer Daumen. Die Füße hatten keine Zehen. Das Ding lag mit dem Gesicht nach unten.
Der Gegenstand, der jetzt vollständig freigelegt war, wies mehr erkennbare Einzelheiten auf. Aber die Einzelheiten ergaben keinen Sinn. Dicke, gebogene Metallstreben, dünne, verworrene Drähte, zwei riesige, zerbeulte Kreise, an deren ehemaligen Rändern etwas Verrottetes herunterhing – und dann klickte es in Henrys Phantasie, es war die gleiche visuelle Begabung, die ihm zu den Einsern in Topologie verholfen hatte, und er sagte: »Es ist ein Fahrrad.«
»Du hast den Verstand verloren.«
»Nein, schau her. Die Räder sind zu groß, und…«
Es war ein auf absurde Weise verdrehtes Fahrrad, dessen Räder einen Durchmesser von acht Fuß hatten. Der Sattel war winzig, und die Kette war durch ein Getriebesystem ersetzt. Das Getriebe hatte eine extrem kleine Übersetzung. Der Sattel stieß beinahe ans Hinterrad, und an der Vorderradnabe war eine Lenkstange befestigt, die jetzt nur noch ein verbogenes Stück Schrott war. Das Fahrrad war von irgend etwas zerdrückt worden wie eine knitterfeste Zigarrenschachtel in der Hand eines starken Mannes, und dann hatte die Salpetersäure dem Metall den Rest gegeben.
»Also gut, es ist ein Fahrrad«, sagte Chris. »Es ist ein Salvador-Dali-Fahrrad, aber immerhin ein Fahrrad. Sie müssen uns ziemlich ähnlich gewesen sein, was? Fahrräder, Steinbrunnen, Schriftzeichen…«
»Kleidung.«
»Wo!«
»Es muß welche vorhanden gewesen sein. Er ist um den Torso herum weniger verwittert, siehst du? Man kann die Falten in seiner Haut erkennen. Er muß geschützt gewesen sein, bevor die Kleider wegfaulten.«
»Vielleicht. Irgendwie macht er unsere Theorie von der untergegangenen Rasse zunichte, stimmt’s? Er kann unmöglich älter als ein paar tausend Jahre sein. Eher jedoch ein paar hundert.«
»Dann hat er schließlich doch Salpetersäure getrunken. Nun, damit können wir unsere Diamantenmine vergessen, Partner. Es muß lebende Verwandte von ihm geben.«
»Wir können uns nicht darauf verlassen, daß sie uns allzu ähnlich sind. Die Sachen, die wir entdeckt haben – Kleidung, Schriftzeichen, Brunnen – , das alles können Dinge sein, die zu erfinden jedes intelligente Wesen gezwungen sein kann. Und eine parallele Entwicklung könnte den aufrechten, zweibeinigen Gang erklären.«
»Parallele Entwicklung?« echote Henry.
»Wie das Oktopusauge. Es stimmt in seiner Struktur fast vollkommen mit dem menschlichen Auge überein. Und
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