Geschichten aus dem Ringwelt-Universum
doch ist ein Oktopus nicht im entferntesten menschlich. Nun ja, versuchen wir, ihn aufzuheben.«
Jeder Archäologe hätte sie in diesem Augenblick kaltblütig niedergeschossen.
Die Mumie war leicht und ausgetrocknet wie Kork und zeigte keinerlei Ansätze, in ihren Händen zu Staub zu zerfallen. Sie banden ihren Fund vorsichtig auf dem Gepäckträger fest und bestiegen das Motorrad. Langsam und behutsam fuhr Chris zurück.
Chris stand auf der ersten Stufe der Leiter und rückte die Mumie auf seiner linken Schulter zurecht. »Wir müssen ihn vor dem Start mit einer Plastikschicht besprühen«, sagte er. »Haben wir Plastikspray an Bord?«
»Ich kann mich nicht erinnern, welches gesehen zu haben. Wir sollten lieber jede Menge Bilder machen, falls er doch zerfällt.«
»Genau. In der Kabine ist eine Kamera.« Chris begann, die Leiter hinaufzuklettern, und Henry folgte ihm. Sie brachten die Kostbarkeiten ohne Zwischenfälle bis zur Luftschleuse.
»Ich habe mir Gedanken gemacht«, erklärte Henry. »Die Salpetersäure war zwar nicht gerade verdünnt, aber sie enthielt Wasser. Vielleicht ist der Stoffwechsel des Burschen in der Lage, das Wasser von der Salpetersäure zu trennen.«
»Einleuchtender Gedanke.«
Sie legten die Mumie behutsam auf einen Stapel Decken und machten sich auf die Suche nach der Kamera. Nach fünf Minuten ergebnislosem Herumstöbern schlug Chris vorsätzlich mit der Stirn an die Wand. »Ich habe sie gestern abend mitgenommen, um den Sonnenuntergang zu fotografieren. Sie ist im Laderaum.«
»Dann geh und hol sie.«
Henry stand in der Luftschleuse und sah Chris nach, der die Leiter hinunterstieg. Als Chris nach wenigen Augenblicken aus dem Frachtraum zurückkehrte, kletterte er, den Riemen der Kamera über die Schulter gehängt, wieder hinauf.
»Ich habe mir auch Gedanken gemacht«, sagte er, und die Stimme schien sich von seiner kletternden Gestalt zu lösen. »Die Diamantenvorkommen können nicht derartig groß sein, und es muß ein hartes Stück Arbeit gewesen sein, Quader daraus zu schneiden. Warum Diamanten? Und warum die Schriftzeichen auf einem Brunnen?«
»Religiöse Gründe? Vielleicht verehren sie das Wasser.«
»Genau das habe ich auch gedacht.«
»Natürlich hast du das. Das Muster ist so alt wie Lowell.« Chris war am Ende der Leiter angelangt. Sie drängten sich in die Luftschleuse und warteten, bis sie sich gedreht hatten.
Die Tür öffnete sich. Die beiden Männer hatten inzwischen ihre Helme abgenommen, und beide rochen es sofort. Etwas Chemisches, etwas Stechendes…
Dichte, schwere Rauchschwaden stiegen von dem vorzeitlichen Leichnam auf.
Henry reagierte als erster. Er hastete zum Doppelboiler in der kleinen Küchennische. In der unteren Hälfte befand sich noch Wasser; er ergriff den Behälter und goß das Wasser über die rauchende Marsmumie, während er mit der anderen Hand den Wasserhahn aufdrehte.
Die Mumie explodierte wie eine Napalmbombe.
Henry sprang vor den aufschießenden Flammen zurück und prallte mit dem Kopf gegen etwas Flaches, sehr Hartes. Er stürzte, während sein Kopf erfüllt war von berstendem Licht. Augenblicklich richtete er sich wieder auf. Er wußte, daß etwas sehr Dringliches getan werden mußte, konnte sich aber nicht erinnern, was es war. Dann sah er, wie Chris, noch immer im Vakuumanzug, jedoch ohne Helm, durch die bunten Flammen eilte, die Mumie an den Handgelenken packte und in die Luftschleuse warf. Darauf betätigte er hastig den Drehknopf. Die Innentür schloß sich.
Einen Augenblick später beugte sich Chris über ihn. »Wo tut’s weh, Harry? Kannst du sprechen? Kannst du dich bewegen?«
Henry setzte sich wieder auf. »Ich bin in Ordnung.«
Chris stieß heftig die Atemluft aus. Dann begann er zu lachen.
Ein wenig zittrig erhob sich Henry. Sein Kopf schmerzte. Der Rauch in der Kabine war nicht unerträglich, und der Lüftungsapparat mühte sich bereits surrend, die Luft wieder sauber und geruchlos zu machen. Roter Rauch drang aus der Außentür der Luftschleuse, zog an einer Luke vorüber und löste sich auf. »Warum ist er explodiert?« fragte Henry nachdenklich.
»Das Wasser«, erklärte Chris Luden. »Was muß er bloß für einen verrückten Stoffwechsel haben. Ich möchte unbedingt dabeisein, wenn wir einem Lebenden begegnen.«
»Aber was ist mit dem Brunnen? Wir wissen, daß er Wasser verwendete.«
»Ja, das tat er. Das ist sicher wie das Amen in der Kirche. Und weißt du schon, daß ein Oktopusauge genau mit einem
Weitere Kostenlose Bücher