Geschichten aus der Murkelei
Land zur Tante Kröte. Es würde ja doch nicht regnen.
Das Hexlein aber blieb nicht lange in den Wolken, denn dort war es ihm zu kalt, sondern es fuhr dort zur Erde, wo das Haus
des großmächtigen Zauberers stand. Dem wollte es zuerst einen Schabernack tun, weil er es in die Flasche gesteckt hatte.
Das Hexlein verwandelte sich aus einem Rauch zurück in seine menschliche Gestalt und sah vorsichtig durch das Fenster ins
Zimmer, zu erfahren, was der Zauberer wohl täte. Der Zauberer lag in seinem großen Sessel und schlief ganz fest. Auf seiner
einen Schulter saß das Huhn, das silberne Eier, auf der andern das Huhn, das goldene Eier legen konnte, auf dem Kopf aber
der stolze bunte Hahn, und die drei schliefen auch.
Wo ist denn bloß das Unglückshuhn? fragte sich das Hexlein. Wenn ich dem das Herz aus dem Leibe reiße und es aufesse, kann
er es nicht wieder lebendig machen und ärgert sich fürchterlich. So ging das Hexlein vom Garten auf den Hof, und da saß das
Unglückshuhn betrübt in einer Ecke. Das Hexlein fing das Huhn und wollte ihm das Herz aus dem Leibe reißen, aber die Silberhaut
war zu fest. Da nahm die Hexe das einzige an dem Huhn, das noch aus |32| Fleisch und Knochen war, nämlich den Kopf, und riß ihn ab. Weil das Hexlein aber den Hühnerkopf nicht selber essen mochte,
gab es ihn einem Hund, der grade die Straße entlangkam. Der Hund schnappte den Kopf, fraß ihn auf und lief weiter.
»So!« sagte das Hexlein. »Nun kann der Zauberer sein liebes Huhn gewiß nicht wieder lebendig machen.« Damit verwandelte sich
die Hexe von neuem in einen Rauch und flog über Land, eine Stelle zu suchen, wo sie neues Unheil stiften konnte.
Der Zauberer schlief sehr fest und hätte noch lange nichts von dem neuen Unheil gemerkt. Aber der stolze bunte Hahn, der auf
seinem Kopfe saß und schlief, träumte, daß er einen Regenwurm aus der Erde kommen sah. Er packte den Regenwurm – im Traum
– mit einer Kralle. Aber der Regenwurm saß halb in der Erde, er ließ sich nicht herausziehen. Da fing der Hahn – im Traum
– an, mit dem Schnabel die Erde aufzuhacken, während er weiter mit der Kralle fest am Wurm zog – und davon wachte der großmächtige
Zauberer auf und schrie vor Schmerzen. Denn der Hahn hielt ihn bei einer Haarsträhne gepackt, riß mit der Kralle daran und
hackte mit dem Schnabel in seinen Kopf.
Der Zauberer schalt: »Ihr seid ein ganz freches Gesindel! So etwas würde das Unglückshuhn nie tun«, und jagte das Geflügel
aus der Stube. Doch gackerte es draußen gleich so laut, daß der Zauberer nachsehen mußte, was da wieder geschehen war. Hühner
und Hahn standen aufgeregt um das silberhäutige Huhn, das tot, ohne Kopf, am Boden lag.
Der Zauberer hob es auf und sprach traurig: »Wer hat denn das nun wieder getan? Sicher deine Feinde, die bösen Elstern, die
auf deine Silberhaut gierig waren. Aber warte nur, wenn ich erst deinen Kopf gefunden habe, will ich dich schon wieder lebendig
machen!« Aber soviel er auch suchte, er fand den Kopf nicht, und das war kein Wunder, denn der lief ja in einem Hundebauch
über Land.
|33| Schließlich gab der Zauberer das Suchen auf. »Das Unglückshuhn muß ich wieder lebendig kriegen«, sprach er bei sich, »und
sollte ich mein kostbarstes Eigentum opfern. Denn ich habe in meinen Zauberbüchern gelesen, daß ich aus ihm einmal die Lebenssuppe
kochen und dadurch reich und glücklich werde.«
Als er das gesagt hatte, fiel ihm ein, daß er in einer Lade noch einen herrlichen großen Edelstein von seinem Vater her hatte.
Er ließ einen kunstreichen Steinschneider kommen, und der mußte ihm aus dem Edelstein den schönsten Hühnerkopf von der Welt
schleifen und schneiden. Dann wurde dieser Kopf geschickt auf die Silberhaut gepaßt, angezaubert – und schon stand das Unglückshuhn
wieder lebendig!
Aber es sah gar nicht mehr wie ein Unglückshuhn aus, es glänzte und gleißte herrlich, und der diamantene Kopf schimmerte in
allen Farben von der Welt und war dabei so hart, daß man mit einem Hammer hätte darauf schlagen können, er hätte nicht den
kleinsten Riß bekommen. – »So«, sagte der Zauberer zufrieden, »nun bist du so fest gepanzert, daß kein Feind dir etwas tun
kann. Geh nur hinaus, Unglückshuhn, und hör dir an, was die Neidhämmel sagen!«
So ging das Huhn hinaus auf den Hof, und als die andern Hühner dies Geglänze und Gestrahle sahen und gar merkten, daß sie
mit ihren Schnäbeln gar
Weitere Kostenlose Bücher