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Geschichten aus der Murkelei

Titel: Geschichten aus der Murkelei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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und sie zeichnen, einen nach dem andern, wie sie kommen –?«
    So sprach er zur Ratte. In seinem Innern aber dachte er, der Ratte werde es schon leid werden, den ganzen Tag Posten zu stehen
     auf dem kalten, finsteren Boden – und ganz umsonst, denn es gab gar keine Äpfeldiebe, das hatte der Hausherr nur so gesagt.
    Die Ratte versprach, getreulich Wache zu halten. Aber auch sie war im Innern entschlossen, den Hausherrn zu überlisten. Als
     darum der Hausherr gegangen war, nahm sie sich erst einmal einen schönen, rotbackigen, mürben Apfel und fraß das Beste von
     ihm. Danach untersuchte sie den Boden, fand auch richtig die Räucherkammer und roch den Speck und die Wurst darin. »Obstkost
     allein schlägt zu sehr durch«, sprach sie bei sich und tat sich an Wurst, Speck und Schinken gütlich.
    Als sie grade beim besten Schmausen war, hörte sie ein leises Schleichen draußen auf dem Boden, und als sie durch die Tür
     spähte, sah sie die Hauskatze, die draußen auf Mäusejagd war. Nun hatte die Ratte einen rechten Haß auf die Katze, denn Ratten
     und Katzen sind Feinde von Urbeginn an; die Katze aber war schon ziemlich alt und bequem und legte keinen Wert mehr auf einen
     Kampf gegen die scharfen Zähne der Ratte.
    Also bekam die Katze einen gewaltigen Schreck, als die Ratte mit dem Rufe: »Weg, du böser Apfeldieb!« auf sie einsprang. Und
     als die Ratte sie nun gar mit ihren scharfen Zähnen ins Ohr biß, daß das Blut lief, rannte sie, kläglich »Miau!« schreiend,
     die Bodentreppe hinunter und stieß in ihrer Angst noch fünf Geraniumtöpfe um, die auf dem Boden in Winterquartier standen.
    |136| Die Ratte ging zufrieden in die Räucherkammer zurück, fraß noch ein tüchtiges Loch in den Preßkopf, der dort hing, und suchte
     sich dann eine bequeme Schlafstätte auf einem Dachbalken in der Äpfelkammer. Als sie da nun recht behaglich und satt im Einschlummern
     lag, hörte sie einen leichten Schritt vorsichtig die Treppe hinaufkommen. Gleich setzte sie sich auf, spitzte die Ohren und
     wartete begierig, wer das wohl sein würde.
    Es war aber niemand anders als der Sohn des Hausherrn, der grade jetzt vor dem Mittagessen, aber nach der Schule, einen kräftigen
     Hunger auf Äpfel verspürte, die ihm doch zwischen den Mahlzeiten verboten waren. Ahnungslos schlich der Junge in die Äpfelkammer
     – schwupp! saß ihm die Ratte auf der Schulter und schlug ihm ihre langen gelben Zähne in das Ohr, daß es blutete und er schreiend
     nach unten lief. Die Ratte aber legte sich wieder hin und schlief gut und nicht weiter gestört bis zum Abend.
    Am Abend mußte der Hausherr wiederum Gericht halten – er tat’s mit Seufzen. Seit die Ratte im Haus war, gab’s nur noch Streit
     und Unordnung, und doch war sie nicht loszuwerden. Die Katze hatte ein zerschlitztes Ohr und der Junge ein geritztes, aber
     dafür verlangte die Ratte noch Lob, hatte sie doch die Äpfel gegen die Diebe verteidigt. Fünf Geraniumtöpfe waren zerbrochen,
     dafür konnte die Ratte aber nichts, das hatte die Katze getan. In der Räucherkammer waren Wurst, Speck und Preßkopf angefressen
     – davon wußte die Ratte nichts. In einem Haus, indem es Äpfeldiebe gab, konnte es ja auch Wurstdiebe geben.
    Der Hausherr mochte es drehen und wenden, wie er wollte, er konnte der Ratte keine Schandtat nachweisen und sie darum auch
     nicht wegschicken. Und morgen war schon der fünfte Tag der siebentägigen Probezeit, gelang es ihm in diesen sieben Tagen nicht,
     die Ratte fortzuschicken, mußte er sie für immer und ewig als Freundin im Hause behalten. |137| Und davor grauste dem Hausherrn, und der Hausfrau grauste noch viel mehr davor.
    Als nun der fünfte Tag herangekommen, sprach der Hausherr zur Ratte: »Komm mit mir, Ratte! Du sollst noch einmal auf Diebe
     aufpassen, da du dich gestern so gut bewährt hast!«
    Es ging dieses Mal aber nicht hinauf zur Äpfelkammer und zum Speck, worauf die Ratte sich schon gefreut hatte, sondern hinunter
     in den dunklen, feuchten Keller. Dort stand eine Siruptonne, und der Hausherr sprach zur Ratte: »Setze dich hier neben die
     Tonne und paß fein auf, ob Diebe kommen. Gehe mir aber nicht an den Sirup, Ratte! Du bekommst von uns deine Kost und darfst
     nicht naschen!«
    Damit schloß der Hausherr die Kellertür ab, damit die Ratte nicht hinaus konnte und Unfug stiften, stieg die Kellertreppe
     empor und pfiff vergnügt ein Liedchen. Er dachte aber bei sich: Die Ratte hält es bestimmt den Tag über nicht aus,

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