Geschichten aus der Murkelei
dann und wann ein bißchen tanzen und pfeifen würdest
–? Viel wäre das ja nicht, aber doch etwas!«
Eigentlich war die Ratte schon wieder beleidigt, daß sie, die kluge, alte, listige Ratte, tanzen und pfeifen sollte, damit
die Kinder was zu lachen hätten. Aber sie dachte an ihr gefahrenreiches Leben im Stall, und so willigte sie denn ein. Nun
machten die beiden den Vertrag, daß Frieden herrschen sollte zwischen Hausherrn und Ratte. Der Hausherr aber bedingte sich
aus, daß der Vertrag erst einmal auf Probe gelten sollte, denn er traute der Ratte noch immer nicht ganz. Erst wenn sie sich
eine Woche gut geführt und keinen Schaden gemacht hätte, sollte der Vertrag Gültigkeit bekommen und Mensch und Ratte auf ewige
Zeit Freunde sein.
So wurde denn der Ratte ein Kistchen mit Heu in die Küche gestellt, darin sollte sie wohnen, und in der Küche sollte ihr Aufenthalt
sein. Am ersten Tage gefiel es ihr dort auch sehr wohl. Es war warm und trocken, es standen keine Fallen dort, kein Gift war
zu fürchten, sondern in einem reinen, irdenen Schüsselchen stand immer ein wenig Futter für sie bereit, mal ein Kleckschen
Kartoffelbrei mit zerlassener Butter, mal ein Gemüserestchen, in dem auch ein paar Stücke gebratenes Fleisch verborgen waren.
Der Ratte gefiel es ausgezeichnet, und wenn die Kinder kamen und verlangten, sie solle tanzen, so tat sie auch das gerne,
und es störte sie gar nicht, wenn die Kinder lachten. Sondern sie sagte sich: »Ein bißchen Bewegung nach so viel Essen ist
sehr gesund, und die Kinder sind ja noch dumm, sie verstehen nicht, wie schön ich tanze.«
|129| Am zweiten Tage war’s schon nicht mehr so herrlich wie am ersten. Die Ratte schnupperte am Futternapf und sagte ohne Hunger:
»Schon wieder Kartoffelbrei – die Leute kochen hier wohl alle Tage dasselbe!« Vor den Küchenfenstern war ein schöner, klarer,
sonniger Wintertag, und die Ratte dachte mit einiger Sehnsucht daran, wie behaglich sie an solchen Tagen vor ihrem Loch am
Stall in der Sonne gesessen und dann und wann einen kleinen, interessanten Spaziergang über den Misthaufen gemacht habe.
»Ach ja, ach ja, solch Stubenleben ist recht schwer!« seufzte die Ratte und fing vor lauter Langerweile an, ihr Wohnkästchen
zu benagen. Aber die Hausfrau hörte das Knabbern, rief scharf: »Laß das, Ratz!«, und die Ratte mußte es lassen.
Nun lauerte sie darauf, daß einmal die Tür von der Küche zum Zimmer aufstünde, und als es soweit war, schlüpfte sie leise
hinüber. Im Zimmer war keiner, und so konnte sich die Ratte, die sehr neugierig war, alles mit der größten Genauigkeit ansehen.
Sie kletterte auf jeden Tisch, und wo eine Schranktür offenstand, schlüpfte sie auch in die Schränke und betrachtete sich
genau, was in den Schränken war. Sie kroch im Regal hinter die Bücherreihen, kletterte an den Gardinen hoch und sah sich das
Zimmer von oben an. Und hinter jedes Sofakissen schlüpfte sie auch. So ging sie von Zimmer zu Zimmer, und da war kein Bett,
in das sie nicht gekrochen wäre, keine Waschschüssel, die sie nicht als Schwimmbassin versucht hätte, kein Hausschuh, den
sie nicht als Bett ausprobiert hätte.
Die Hausfrau war eine sehr ordentliche Hausfrau, ihre Wohnung strahlte und blitzte nur so von Sauberkeit – aber das war es
ja grade, was der Ratte so mißfiel. »Nein, was sind diese Dielen glatt und glänzend!« sagte sich die Ratte, als sie über den
Boden lief. »Da kann man ja ausrutschen! Hier müßte überall ein bißchen Stroh und Mist liegen, das wäre doch viel gemütlicher!«
Und weil kein Stroh und kein |130| Mist da waren, ließ sie wenigstens schnell ein Kleckschen fallen.
Als sie hinter dem Sofakissen saß, meinte sie: »Außen ist es glatt und kühl, aber innen scheint es weich und mollig zu sein.
Man müßte das Innerste nach außen kehren!« Und sie biß schnell ein Loch in den Bezug, freute sich, als die Federn herauskamen,
und machte ein kleines Bett aus ihnen. »So!« sagte sie zufrieden. »Die Menschen haben auch gar keine Ahnung, wie man es sich
gemütlich macht! Ich muß ihnen das erst einmal richtig zeigen!«
Im Federlager war es der Ratte warm geworden, sie sprang gleich in die nächste Waschschüssel und nahm ein kühles Schwimmbad.
»Ei, wie tut das gut!« sagte sie. »Die Sauberkeit ist auch nicht zu verachten!« Und sie wälzte sich zum Abtrocknen in der
Asche, die vor dem Ofen vom Heizen her in einer Schippe stand. Dann
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