Geschichten von der Bibel
überhaupt das Wort Großvater aus dem Wortschatz Ägyptens zu streichen.
»Aber dein Großvater …«, setzte einer an, doch ehe er den Satz fortsetzen konnte, hatte Malul bereits die Wachen gerufen, und der Mann war verhaftet.
Ohne Zweifel, alberne Zeiten standen bevor. Im Kopf und im Herzen war Malul immer noch ein Kind, und er blieb ein Kind. Er sah allerdings sehr männlich aus, zweimal am Tag mußte er sich die Wangen schaben lassen, wollte er am Abend nicht dastehen wie ein Rauchfangkehrer.
Eine Zeitlang spielte Malul mit der Macht des Pharaos. Es reizte ihn, ein albernes Gesetz nach dem andern zu erlassen, es brachte ihn zum Lachen, wenn er sich den panischen pseudofachmännischen Disput seiner Beamten anhörte. So ließ er den Gesundheitsminister und dessen Staatssekretäre zu sich kommen.
»Was haltet ihr von meinem neuen Gesetz, das die Würzung der Suppen regelt?« fragte er und mußte sich auf die Lippen beißen, um nicht herauszuplatzen.
Dann hörte er sich an, wie sich die höchsten Beamten des Staates eifrig vor ihm demütigten, und lief mitten in der Debatte hinaus, um sich in seinen Gemächern vor Lachen auf den Boden zu werfen.
Die Menschen nannten ihn Malul den Lustigen. Niemand fürchtete ihn. Malul aber wollte, daß sich die Menschen vor ihm fürchteten. Ein Lustiger wird keine Spuren in der Geschichte Ägyptens hinterlassen, sagte er sich und dachte sich: Es liegt an meinen Beratern. Also schickte er alle Minister in den Ruhestand und alle Beamten dazu, die sein Vater und sein Großvater eingesetzt hatten. Und er bestellte sich neue Berater an seine Seite.
Diese neuen Berater waren junge Männer, nicht viel älter als Malul selbst. Sie waren geprägt durch den Krieg gegen die Edomiter. In ihren Köpfen und ihren Herzen war die Saat der Zwietracht, die Zephu gesät hatte, aufgegangen.
»Was gibt es zu tun im Land?« fragte Malul.
»Eines vor allem«, sagten die neuen Männer.
»Sagt es mir!«
»Gegen Israel!« war die Antwort.
Malul hatte sich bis dahin nicht für Politik interessiert. Er hatte sich weder Gedanken über den Krieg noch Gedanken über das Volk Israel gemacht, und über Zephu und seine Machenschaften wußte er wenig, denn der Geschichtsunterricht war ihm beim einen Ohr hinein und beim anderen wieder hinausgeflogen. Aber trotz aller Verrücktheiten hatte er ein Gespür für Herrschaft. Dieses Gespür sagte ihm, daß Herrschaft einen Gegner braucht, daß Herrschaft für sich nichts ist, daß einer da sein muß, der beherrscht wird.
»Gegen Israel?« fragte er.
»Jawohl!«
»Aber mein Großvater hat doch …«, begann er vorsichtig. Und wurde auf der Stelle in kaltem, gleichgültigem Ton unterbrochen: »Das Wort ist verboten!«
Schon wollte Malul aufbrausen und erwidern, er selbst habe schließlich dieses Wort verbieten lassen, so ein Gesetz sei nichts weiter als eine Albernheit wie alle anderen Gesetze auch, die er erlassen hat – das Gesetz über die Würzung der Suppen, das Gesetz zur Regelung der Behandlung von Mückenstichen, das Gesetz gegen das nächtliche Schnarchen bei offenem Fenster. Er wollte sagen, von nun an wolle er keinen Unsinn mehr machen, er wolle Politik machen, denn er wolle nicht als Malul der Lustige in der Geschichte untergehen.
Da sah er in den Gesichtern seiner neuen Minister, daß ihnen völlig gleichgültig war, was er wollte, nämlich wörtlich gleichgültig, daß ihnen alles, was er wollte, gleich viel galt. Eben weil er der Pharao war. Daß sie alles tun würden, was er ihnen befahl. Daß sie alles auf sich nehmen würden. Daß sie nach den langen Jahren des freien Austauschs der Meinungen endlich keine eigene Meinung mehr haben wollten. Daß es für sie nur eine Meinung gab, nämlich seine Meinung. Weil er der Pharao war.
Und Malul dachte bei sich: Diese Männer verehren mich. Sie halten alles, was ich sage, für weise. Sie halten mich für weise. Sie halten mich für einen großen Mann. Wenn ich es will, dann werden sie dafür sorgen, daß ich als ein großer Pharao in die Geschichte eingehe. Größer noch als mein …
»Also gegen Israel«, sagte er.
»Ja, gegen Israel«, wiederholten die Minister. »Israel ist stark und wird von Tag zu Tag stärker. Bald wird dieses Volk stärker sein als das ägyptische. Dann wird man uns aus unserem eigenen Land vertreiben.«
»Gut«, sagte Malul.
Noch mal: Malul hatte nichts gegen Israel. Wo hätte er auch Ressentiments lernen sollen? Sein Großvater hatte besonderen Wert darauf gelegt, daß
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