Geschichten von der Bibel
müssen. Wenn Luzifer der große Trauernde unten in der Hölle genannt wird, dann ist Gott der große Trauernde oben im Himmel. Luzifer war sein Liebling gewesen. Das nächtliche Gespräch mit Zephu hatte in Gott eine alte Traurigkeit geweckt, und als er wieder allein mit sich selbst war, sprach er weiter, ganz so, als wäre jemand da, der ihm zuhörte, und als er merkte, daß er, ohne es beabsichtigt zu haben, in Wortwahl und Ausdruck Zephus Art zu sprechen nachgeahmt hatte, lächelte er und gestattete sich, noch eine kleine Weile dabei zu bleiben …
Nur eine Nacht hatte Zephu benötigt, um Gott herumzukriegen. In altgewohnter Weise, wie er vor ihm den ägyptischen Händler, den ägyptischen Hauptmann, wie er den Kanzler des Aeneas, den Sohn des Kanzlers, wie er König Turnus II., wie er König Aeneas und schließlich wie er seine Brüder herumgekriegt hatte.
Am Morgen hatte Gott dem Zephu versprochen, er werde den Edomitern in der Schlacht gegen Aeneas beistehen. Ergebnis: Das unbesiegbare Heer des Aeneas wurde von dem zerlumpten Haufen aufgerieben. Und die Welt hat es gesehen.
Und die Welt sagte: »Zephu ist ein Genie!«
Hatte sich Zephu bisher auf doppeltes Spiel verstanden, so steigerte er sich nun: Er spann eine dreifache Intrige.
Den Edomitern sagte er: »Nun laßt uns gemeinsam mit Israel Krieg gegen Ägypten führen!«
Dann verbreitete er bei den Ägyptern das Gerücht, die Edomiter wollen Ägypten angreifen, sie wollen sich mit den Israeliten gegen Ägypten verbünden.
»Mit den Israeliten?« sagten die Ägypter. »Israel ist doch ein Freund Ägyptens.«
»Nur scheinbar«, ließ Zephu wissen, »nur scheinbar!«
»Und was sollen wir tun?« fragten die Ägypter.
»Stellt Israel auf die Probe«, hieß es. »Wenn die Edomiter kommen, laßt die Israeliten allein gegen sie kämpfen. Seid neutral! Seht zu!«
Und zuletzt brachte es Zephu sogar fertig, daß die Israeliten auf ihn hörten.
»Die Edomiter«, sagte er, »die Bezwinger des großen Aeneas, wollen nun euch vernichten. Und Ägypten gibt euch preis.«
»Was sollen wir tun?« fragten sie Israeliten.
»Wer nicht euer Freund ist, ist euer Feind«, sagte Zephu. »Vergeßt das nicht.«
Chaos brach aus. Steckte hinter Zephus Machenschaften weiterhin ein System? Keiner vertraute dem anderen. Freunde gingen einander aus dem Weg. Der ägyptische Arzt behandelte die israelitische Patientin nicht mehr, der israelitische Richter weigerte sich, einen Streit unter Ägyptern zu schlichten. Auf der Straße wurde nicht mehr gesprochen. Feind hörte mit. Alles war aus den Fugen geraten. Das Wort vom guten Menschen wurde zum Schimpfwort. Wer sich für den Namen seines Vaters schämte, predigte Vaterlandsliebe. Die Lüge wurde zum Markenzeichen von Fleiß und Anständigkeit. Und dann war Krieg.
Die Edomiter fielen über Ägypten her. Und die Israeliten kämpften. Und die Ägypter sahen zu. Und Gott schämte sich. Er schämte sich, weil er zum zweiten Mal in seinem ewigen Dasein geglaubt hatte, ein anderes Wesen schwinge in Harmonie mit ihm, und er kam zur Einsicht, zur schmerzlichen Einsicht, daß es kein Wesen auf der Welt geben kann, das zur göttlichen Harmonie fähig ist.
Gott besann sich auf sein Volk und stand Israel im Kampf bei. Die Edomiter wurden geschlagen und aus Ägypten vertrieben. Und der Sieg gehörte Israel. Denn die Ägypter waren neutral geblieben. Und da erinnerten sich die Israeliten daran, was Zephu, der Teufel, ihnen eingeblasen hatte, nämlich: Wer nicht euer Freund ist, ist euer Feind. Und sie richteten ein Massaker an unter den Söhnen Ägyptens.
Und Zephu? Der hatte sich längst aus dem Staub gemacht. Wohin? Niemand wußte es. Manche sagten, er sei in Ruhe und ohne Sorgen alt geworden. Ein Mann, der sein Ziel erreicht hat: Bevor er nach Ägypten kam, waren Ägypter und Israeliten Freunde. Als er Ägypten verließ, waren sie Feinde. Das Gift der Zwietracht hatte seine Wirkung getan, ein neuer Pharao kam, und der baute seine Herrschaft auf den Haß. Israel wird stöhnen unter seiner Tyrannei, es wird beten zu seinem Gott und schreien nach einem Mann, der es herausführen soll aus der Knechtschaft. Die Sehnsucht nach einem Erlöser wird aus jedem Wort sprechen, aus jedem Gedanken, aus jedem Gebet …
PHARAO MALUL
Von einem großen Großvater – Von lustigen Gesetzen – Von loyalen Ministern – Von Zwangsarbeit – Von einer Erzählerin – Von einem Trick, die Liebe aufzufrischen – Von zwei Hebammen – Von einer Feuersbrunst
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