Geschichten von der Bibel
Zephu auf seinem langen Ritt durch die Wüste doch einen Plan zurechtgelegt? Es sieht ganz danach aus. Er will seine Brüder umgarnen, wie er immer alle Menschen umgarnt hat, von denen er sich einen Vorteil versprach. Erst lachen sie ihn aus, die Brüder, winken ab, aber dann werden sie still, lauschen seinem geölten Mundwerk, können bald die Augen nicht mehr von ihm lassen. Der eine oder andere schaut ihn bereits mit einem neuen Blick an. So kenne ich Zephu ja gar nicht, denkt sich der eine oder andere, er ist ein anderer geworden in der Fremde, und am Ende des Abends, nachdem man zwei bis drei Stunden der süßen Stimme Zephus gelauscht hat, gesteht sich der eine oder andere ein, daß man sich gründlich in Zephu getäuscht hat, als man meinte, niemals könne man mit diesem in Harmonie schwingen oder die Welt und die Menschen so sehen und deuten wie er oder über dasselbe lachen, dieselben Sorgen haben, dieselben Hoffnungen …
Auch das Böse soll planvoll vorgehen, das wünschen wir uns. Warum? Weil es dadurch berechenbar wird. Auch der Haß ist auf seine Art ein Gebäude, sagen wir uns. Soll er sich etwa nicht mit einem Haus vergleichen lassen? Und wir sagen: Wer ein Haus baut, kann nicht mit dem Giebel beginnen. Wieder suchen wir Trost in dem Gedanken, daß auch die Destruktion einen Plan benötigt. Aber zugleich wissen wir: Wer ein Haus zerstört, der braucht sich an keine Reihenfolge zu halten.
Die Edomiter glaubten ihm. Wählten ihn zu ihrem Anführer. Und hielten ihn ganz und gar nicht für verrückt, als er ihnen einzureden versuchte, sie müßten Aeneas angreifen – den übermächtigen Aeneas! –, denn Aeneas sei ein Verbündeter Ägyptens, und nur wenn dessen Armee besiegt sei, könne ein Krieg gegen Ägypten gewonnen werden. Und die Brüder griffen nach Hauen und Spaten, nach Sicheln und Sensen, nach Peitschen und Knüppel.
Voller Begeisterung zogen sie in den Krieg gegen die Armee des Aeneas.
Am Abend vor der Schlacht, so schien es, kam Zephu dann doch noch zur Vernunft. Zweifel packten ihn, Zweifel und Verzweiflung. Niemand kannte die Stärke der feindlichen Armee besser als Zephu, außer Aeneas. Keiner seiner edomitischen Lumpensoldaten würde am Leben bleiben. Und Zephu fiel auf die Knie und rief zu Gott. Er rief den Namen Gottes, und die Stimme versagte ihm nicht dabei.
Und Gott sprach mit Zephu. Das heißt, zunächst hörte Gott zu. Denn Zephu redete. Mit leiser Stimme redete er. Mit vor Zerknirschung leiser Stimme. Einer Zerknirschung, wie Gott bisher noch keine gehört hatte. Einer Zerknirschung, die den Menschen erniedrigte und Gott erhöhte. Eine gute Stunde lang dauerte diese Zerknirschung. Eine weitere Stunde lang flehte Zephu, Gott möge ihn vernichten, seine Brüder aber verschonen. So inbrünstig atemlos flehte Zephu, daß Gott gar nicht zu Wort kam, also auch nicht sagen konnte, er nehme Zephus Opfer gern an.
Am Ende der Suada war Gott erschöpft. Wurde aber gleich wieder frisch, denn in Zephus Rede folgten nun einige kritische Bemerkungen über Gott und sein Werk. Vorgetragen allerdings in einem freundschaftlichen, durchaus solidarischen Ton, der es Gott möglich machte, das eine oder andere Eingeständnis zu machen. Rede und Widerrede zwischen den beiden wurden lockerer. Gott kam ins Erzählen. Wer hat mehr zu erzählen als er! Zephus Augen, die so sympathisch erstaunt wirkten – schließlich gibt es ja auch viel zu staunen, wenn Gott erzählt –, schauten so offen und unbewaffnet und ohne Hintergedanken, daß es dem Herrn der Welt leichtfiel, über Dinge zu reden, die er mit einem Menschen niemals besprechen wollte.
Und wovon erzählte Gott? Vom Menschen und von den Schwierigkeiten, die sich bereits bei der Erschaffung des Adam eingestellt hatten. Von der Erschaffung der Eva erzählte er. Daß er drei, ja sogar vier Anläufe hatte nehmen müssen, bis Adam endlich zufrieden gewesen sei. Von der Sünde erzählte er, von der Verführung durch Samael. Von der Vertreibung aus dem Paradies. Da wurde die große Seele Gottes schwer. Zephu zeigte Verständnis. Und er zeigte großes Interesse, ein Interesse, wie dem Werk Gottes seit dem seligen Henoch nicht mehr entgegengebracht worden war.
Und als die Morgenröte ihre rosigen Finger über den Horizont schob, dachte Gott bei sich, erst einmal in seinem ewigen Dasein war ihm einer begegnet, der in solcher Harmonie mit ihm schwang wie dieser Zephu, nämlich Luzifer, und der hatte ihn verraten, und man hatte ihn verstoßen
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