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Geschichten von der Bibel

Geschichten von der Bibel

Titel: Geschichten von der Bibel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Köhlmeier
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war verdorben. Und wer nichts weiter wollte als helfen, der konnte zu einer tödlichen Gefahr werden.
    Als der Bote wieder einmal mit Lebensmitteln und Geschenken kam, sagte Amram zu ihm: »Richte deiner Herrin aus, wir wollen das nicht mehr. Wir werden tun, was sie von uns verlangt, aber wir wollen nicht, daß ein Ägypter unser Haus betritt. Und wir wollen schon gar nicht, daß er uns etwas mitbringt.«
    Amram hatte Angst. Jedesmal, wenn der Bote kam, hatten sich die Nachbarn vor seinem Haus versammelt, hatten lange Augen gemacht, wenn er all die guten Sachen vom Wagen lud und auspackte.
    »He«, sagten die Nachbarn dann, »dürfen wir probieren?«
    Sie schnitten sich von dem gepökelten Fleisch, aßen die Kuchen auf, tranken den Wein, tunkten ihre Finger in den Honig. Und als es hieß, jetzt sei es genug, da ließen die Nachbarn den Mund offen und taten, als hätten sie nicht richtig gehört.
    »Was heißt genug?« fragten sie.
    »Genug heißt genug«, sagte Amram.
    »Genug heißt also genug?«
    »Was soll es denn sonst heißen? Hat es eine Verordnung gegeben, die besagt, daß genug nicht mehr genug heißt?«
    »Weißt du«, sagten die Nachbarn, »wir haben da ein Problem.«
    »Was für ein Problem denn?« fragte Amram.
    »Der Zusammenhang, weißt du, der interessiert uns.«
    Es war damit alles gesagt. Darum bat Amram den Boten, nicht mehr zu kommen. Damit kein Zusammenhang zwischen dem Haus des Amram und dem Haus des Pharaos hergestellt werden konnte. Kein Israelit wollte in den Verdacht geraten, mit den Ägyptern auch nur irgend etwas zu tun zu haben.
    Aber es war eine böse Zeit, und es genügte nicht, wenn man vom Feind nichts Gutes nahm, man mußte sich bereits rechtfertigen, wenn der Feind einem nichts Böses tat. Und dem Haus Amrams wurde nichts Böses getan.
    Die Mütter Israels, deren Söhne vom ägyptischen Pöbel ermordet worden waren, kamen und klopften an die Tür.
    Sie sagten: »Eine Frage nur! Eine Sekunde nur! Darf man den Kleinen anschauen, das Wunderkind?«
    »Mein Jekuthiel ist kein Wunderkind«, sagte Jochebed. »Er ist, wie eure waren. Es ist nichts Besonderes an ihm.«
    »Das kann nicht sein!« schrien die Frauen. »Das kann einfach nicht sein!«
    Und sie setzten sich auf die Schwelle und zerkratzten sich das Gesicht und weinten.
    Und bald hatten Jochebed und Amram keine Freunde mehr, und die Kinder der Nachbarn spielten nicht mehr mit Mirjam und Aaron.
     
    Als Moses vier Jahre alt war, brachte ihn seine Schwester Mirjam zum Palast des Pharaos und übergab ihn Bithja. So war es vereinbart worden.
    »Du weinst ja gar nicht«, sagte Bithja zu Mirjam. »Ist dir mein Sohn in den vier Jahren denn nicht ans Herz gewachsen?«
    Was sollte man darauf antworten? Jochebed hätte wieder Angst bekommen können und denken, jetzt ist es so weit, jetzt kommt die Abrechnung, jetzt wird mich die Pharaotochter den Soldaten ausliefern, vier Jahre hat sie sich den Spaß gemacht, auf meine Vernichtung zu warten. Wenn ich sage, nein, er ist mir nicht ans Herz gewachsen, dann wird sie mich vernichten, weil ich herzlos bin, und wenn ich aber sage, doch, er ist mir ans Herz gewachsen, dann wird sie mich töten, weil sie fürchten muß, ich nehme ihr das Kind wieder weg. So hätte Jochebed denken und Angst haben können.
    Mirjam dagegen hatte ganz sicher keine Angst. Erstens hatten sich die Zeiten gebessert. Pharao Malul hatte seinen Mordbefehl zurückgezogen. Das war seiner Tochter Bithja und auch seiner Frau Alparanith zu verdanken. Und auch der alten Amme, die hatte ihn wissen lassen, sie werde keine Geschichte mehr erzählen, solange in Ägypten hebräische Kinder mit Erlaubnis des Pharaos getötet werden dürften. Schließlich hatte Malul nachgegeben.
    »Es ist mir zu Ohren gekommen«, sprach er zu seinen Ministern, »daß es in meinem Reich ab und zu vorkommt, daß hebräische Knaben unfreundlich behandelt werden.«
    »Das ist richtig«, sagten die Minister. »Man bringt sie massenhaft um.«
    »Ich wünsche das nicht«, sagte Malul.
    »Daß man die israelitischen Knaben unter vier Jahren massenhaft umbringt?«
    »Daß sie so unfreundlich behandelt werden.«
    »Aber das war doch deine eigene Idee«, sagten die Minister.
    »Wer seid ihr, daß ihr euch anmaßt, die Ideen des Pharaos zu kennen«, brauste Malul auf.
    Und die Minister dachten sich: Da hat er recht, wer sind wir eigentlich …
    Aber nicht nur deshalb war Mirjam ohne Sorge, als sie Moses zu Bithja brachte. Wenn eine Gefahr bestünde, hätte mich der

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