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Geschichten von der Bibel

Geschichten von der Bibel

Titel: Geschichten von der Bibel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Köhlmeier
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Korb«, sagte der Erzengel. »Bestreiche die Ritzen des Korbes mit Pech. Leg dein Brüderchen in den Korb, und setz dieses Schiffchen in den Nil!«
    Mirjam tat, wie ihr der Engel geheißen. Sie war noch ein Kind, aber weil sie in ihrem Leben gelernt hatte, daß sich niemand um einen kümmert, war auch ihr Vertrauen zum Erzengel Gabriel recht gering, und so schlich sie sich am Ufer entlang und beobachtete das Körbchen, das langsam auf dem Wasser dahinglitt. Und als Bithja, die Tochter des bösen Pharao Malul, das Körbchen aus dem Wasser fischte, war Mirjam in der Nähe.
    »Das ist sicher das Kind einer Hebräerin. Ich will es zu mir nehmen, und ich will es beschützen, daß ihm nichts geschieht«, hörte Mirjam die Tochter des Pharaos sagen.
    Und Bithja war es, die dem Knaben den Namen Moses gab.

KINDHEIT UND JUGEND
    Von einem Körbchen im Nil – Von der mutigen Mirjam – Von der mißtrauischen Jochebed – Von den bösen Nachbarn – Vom Haushalt des Pharaos – Von der goldenen Krone des Pharaos und den glühenden Kohlen – Vom bösen Hetzer Bileam ben Beor – Von einem Treffen auf dem Marktplatz – Von engeligem Besuch in der Nacht – Vom Leiden des Volkes Israel – Von einem Mord – Von einem nächtlichen Gedankengang – Von zwei streitenden Männern – Vom Tod des Pharaos Malul
     
    Bithja, die Tochter des Pharaos, wollte eine gute Mutter sein, aber sie war keine Mutter, und sie war keine Amme, und sie hatte keine Milch. Und das Knäblein schrie.
    Mirjam war, wie der Engel ihr geraten hatte, am Ufer des Nil entlang gelaufen, war dem Körbchen, das auf dem Wasser schwamm, gefolgt, und als sie die Frauen sah, die das kostbare Schiffchen an Land zogen, hatte sie sich im Schilf versteckt. Sie bangte und betete zu Gott, und sie wußte gar nicht, was sie alles von Gott erbitten sollte, denn ihr war, als gäbe es nichts als Sorge in ihrem jungen Leben, fühlte sie sich doch für alle Sorgen ihrer Welt zuständig, schließlich war ihr ja ein Engel beigestellt worden, und der Himmel würde solchen Aufwand nicht treiben, wenn die Sorge nur eines einzigen Menschen zur Disposition stünde.
    Die Frauen beugten sich über das Körbchen. Jede wollte das Baby streicheln oder wenigstens eine Fußzehe festhalten oder ein Fingerchen.
    »Warum schreit das Kind so sehr?« fragte Bithja.
    »Es wird Hunger haben.«
    »Gebt ihm zu essen«, sagte Bithja, die über gar nichts, was ein unbeschütztes Leben forderte, Bescheid wußte. In dem Leben, das sie bisher geführt hatte, war ihr jede Arbeit, jede Sorge abgenommen worden, und das Wort Not kannte sie nicht.
    »Man kann einem so kleinen Menschen nicht einfach etwas zu essen geben«, wurde ihr geantwortet. »Er braucht Milch aus einer Brust.«
    Aber es war keine Frau da, die Milch in ihrer Brust trug.
    »Schnell«, befahl Bithja, »lauft und sucht mir eine Amme!«
    Da trat Mirjam aus dem Schilf.
    »Ich weiß eine Frau«, sagte sie. »Es ist eine gute Frau. Sie ist meine Mutter. Sie hat mich gestillt und hat meinen Bruder gestillt. Und ihre Milch hat mich froh gemacht vom ersten Tag an und klug, und meinem Bruder hat sie die Gabe der Rede gegeben, so daß er als Kind schon sprechen kann wie ein Erwachsener.«
    Das sprudelte so aus Mirjam heraus. Sie befürchtete nämlich, man werde sie wegschicken, sobald sie den Mund zumachte, und weil sie sich dachte, diese Damen, die immer von allem das Beste abgekriegt haben und immer alles im Überfluß, können nur durch Übertreibung beeindruckt werden, ließ sie ihrer Phantasie die Zügel schießen. Daß ihr Bruder Aaron bisher als ein Redetalent aufgefallen sei, konnte ja gewiß nicht behauptet werden – Aaron, der schon sehr früh gesehen hatte, wie gefährlich es in diesem Leben war, ein hebräischer Knabe zu sein, war im Gegenteil ein stilles Kind, manchmal sagte er tagelang kein Wort, und wenn er gefragt wurde, beschränkten sich seine Antworten meistens auf Ja und Nein. Aaron hatte gelernt, das Beste für einen hebräischen Knaben ist, er hält den Mund.
    Der Engel aber, der Mirjam beigestellt worden war und der auch auf ihren Ruf bedacht war, hat ihre Übertreibungen als Anregung genommen und sie oben vorgetragen, schließlich macht es sich nicht gut, wenn eine Vermittlerin von Gottes Wort eine Lügnerin ist, und so ist dann aus Aaron tatsächlich ein Mann der Rede geworden, und wenn Mirjam behauptet hatte, das Kind könne sprechen wie ein Erwachsener, dann konnte Aaron als Erwachsener sprechen wie ein Kind, einfach und mit

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