Geschichten von der Bibel
Israel«, gab ihm Moses zur Antwort. »Ich befreie sie, und sie lieben mich dafür, und von dem Tag an können sie nicht mehr ohne mich sein.«
Auf dem Heimweg ging Aaron noch so manches durch den Kopf, und er fragte wieder.
»Du hast gesagt, Gott schlägt den Pharao mit Sturheit. Warum tut das Gott?«
»Damit er den Pharao noch grausamer bestrafen kann«, antwortete Moses.
Das war eine Auffassung von Schuld und Sühne, die Aaron sicher zutiefst zuwider war. Aber, dachte er bei sich, aus meinem Bruder spricht Gott, und Gottes Auffassung von Gerechtigkeit darf ein Mensch nicht kritisieren. Noch vor wenigen Tagen hatte Aaron seine Schwester einige Stunden lang warten lassen, ehe er sich ihren Traum angehört hatte, und ihr Traum war ja auch von Gott geschickt worden. Was für einen Eindruck muß Moses auf seinen großen Bruder gemacht haben!
Nach einigen Tagen kam ein Diener des Pharaos zu Moses. Er war außer sich.
»Was hast du nur angerichtet«, sagte er. »Der Pharao weiß nicht, daß ich dich aufsuche, niemand weiß es. Ich bin für die Löwen vor dem Tor zum Palast verantwortlich. Ich liebe diese Tiere, und sie lieben mich. Jedenfalls bis du aufgetaucht bist, haben sie mich geliebt. Seither verweigern sie die Nahrung!«
»Du bist ein guter Mann«, sagte Moses. »Aber ich kann dir nicht helfen. Geh nach Hause! Den Palast des Pharaos betrete ich erst wieder, wenn der Pharao mich rufen läßt.«
»Dann werden meine Löwen verhungern«, jammerte der Diener.
»Sie werden nicht verhungern«, sagte Moses.
»Sie werden nicht verhungern«, sagte Aaron.
Aber die Löwen verweigerten weiterhin die Nahrung, und sie wurden böse und ließen nun niemanden mehr zum Tor des Palastes. Auch nicht jene, die sie kannten. Die Minister mußten über die Mauer klettern, wenn sie ihren Dienst antraten, und die Bäcker warfen jeden Morgen das frische Brot für den Frühstückstisch des Pharaos in die Fenster des Palastes.
Nach einigen Tagen kam der Diener wieder.
»Entweder du kümmerst dich um die Löwen«, sagte er zu Moses, »oder der Pharao läßt sie töten.«
»Dann soll er die Löwen töten«, sagte Moses.
»Dann soll er die Löwen töten«, sagte Aaron.
Am nächsten Tag war der Diener wieder da.
»Der Pharao will dich sprechen«, sagte er.
Da machten sich Moses und Aaron abermals auf den Weg zum Palast. Moses gab den Löwen zu fressen, und sie fraßen und waren nicht mehr böse.
Im Regierungssaal des Pharaos warteten zwei Dutzend Männer auf Moses und Aaron. Es war eine bunte Schar. Ihre Kleidung war extravagant und dennoch vornehm. Das sollte zeigen, daß man es hier mit Berühmtheiten zu tun hatte, aber mit solchen, die ihren Ruhm einer außerordentlichen Tätigkeit verdankten.
Unter diesen Männern war auch ein alter Bekannter von Moses, ein Mann, an den er nur schlechte Erinnerungen hatte. Moses erkannte ihn sofort, gleich beim Betreten des Saales. Dieser Mann konnte sich nicht verstecken. Seine Haut war aus Gold, und wo Licht war, erstrahlte sein Körper, und wenn die Sonne auf ihn fiel, mußte man die Hand vor die Augen halten, so blendete sein Schimmer. – Es war Bileam ben Beor.
Als der alte Zauberer, dessen Gesicht immer noch glatt und jung war, Moses sah, nickte er ihm zu, und sein goldener Mund verzog sich zu einem feinen Lächeln.
»Ich sehe«, sagte er, »alt zu werden ist ein Fluch.«
»Jung zu bleiben ist auch ein Fluch«, sagte Moses. »Und es ist der größere Fluch.«
Moses und Aaron wurden Plätze zugewiesen. Dann betrat Pharao Adikos den Saal, setzte sich auf seinen Thron, und die Verhandlung begann.
Verhandlung? Ja, man kann es eine Verhandlung nennen, eine Verhandlung über den Gott Israels. Die anwesenden Männer waren allesamt Magier, die besten den Landes, und der Beste der Besten war Bileam ben Beor.
»Ich habe erfahren, ein Gott habe dich zu uns nach Ägypten geschickt«, sagte Adikos zu Moses. »Bevor ich wissen möchte, was für einen Auftrag er dir erteilt hat, sag mir: Was ist das für ein Gott?«
»Ich spreche für meinen Bruder«, sagte Aaron. »Solange er es mir erlaubt. Der Gott der Juden, Jahwe, hat in der Wüste zu meinem Bruder Moses gesprochen, und er hat ihm befohlen, nach Ägypten zu gehen.«
»Ich habe nie von diesem Gott Jahwe gehört«, sagte der Pharao. »Wieviel Macht hat euer Gott?«
»Sehr viel Macht«, formulierte Aaron vorsichtig.
»Er hat alle Macht der Welt«, korrigierte ihn Moses.
»Dann gebt uns hier und jetzt eine Demonstration seiner Macht«,
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