Geschichten von der Bibel
Richtige«, sagten sie. »Wir sind auf deiner Seite. Aber du kennst die Situation hier nicht. Du sagst, du seist hier aufgewachsen. Das ist aber lange her. Sicher, Malul war ein grausamer Pharao, brutaler als sein Sohn Adikos. Aber Adikos ist schlauer als sein Vater. Seine Mittel der Unterdrückung sind schwerer zu durchschauen. Unter den Schlägen Maluls ist Israel stark geworden nach innen. Als er starb, waren wir ein einiges Volk. Adikos’ Politik dagegen wirkt wie Säure. Sie zersetzt unser Volk von innen. Am Ende wird Adikos erreicht haben, woran sein Vater gescheitert ist. Es wird Israel nicht mehr geben. Du magst Malul gekannt haben, du magst zu seiner Zeit ein großer Mann gewesen sein. Gegen Adikos kommst du nicht an. Wir jedoch haben lange Erfahrung. Deshalb stell dich in unsere Dienste! Besser kannst du deinem Volk nicht dienen!«
»Ich stehe in den Diensten Gottes«, sagte Moses und ließ sie hinter sich.
»Wir werden zum Pharao gehen«, sagte Moses zu Aaron.
»Und was machen wir dort?« fragte Aaron.
»Wir werden unsere Forderungen vortragen.«
»Und was für Forderungen?«
»Wir werden fordern, er soll dem Volk Israel erlauben, daß es für drei Tage in die Wüste zieht, um seinem Gott ein Schlachtopfer darzubringen.«
Später wird Aaron keine Fragen mehr stellen. Später wird ihm Moses sagen, was er denkt, und bald wird er selbst denken, wie Moses denkt, und wird die Gedanken seines Bruders in Worte fassen.
Nun aber fragte er: »Gesetzt den Fall, der Pharao erlaubt dem Volk Israel, in die Wüste zu ziehen: Was ist, wenn das Volk Israel gar nicht in die Wüste ziehen, seinem Gott gar kein Brandopfer darbringen möchte? Dann wird Pharao Adikos über uns lachen.«
»Pharao Adikos wird unseren Forderungen nicht nachkommen«, sagte Moses.
»Ich weiß nicht«, sagte Aaron. »Adikos ist ein vergleichsweise liberaler Mann.«
»Gott wird ihn mit Sturheit schlagen«, sagte Moses.
Aaron und Moses begaben sich also zum Palast des Pharaos. Sie gingen zu Fuß durch die Stadt. Moses blickte nicht nach links und nicht nach rechts. Hier war er immerhin aufgewachsen. Es interessierte ihn nicht, was hier anders und neu geworden war, seit er die Stadt verlassen hatte.
Vor dem Tor zum Palast lagen Löwen, die waren besonders scharf dressiert, denn sie bewachten die Wohnstätte des Pharaos. Sie waren angekettet, aber ihre Ketten waren lang genug, so daß niemand, den sie nicht kannten, an ihnen vorbei durch das Tor gehen konnte.
»Was sollen wir tun?« sagte Aaron. »Sie werden uns zerreißen, wenn wir nur in ihre Nähe kommen.«
Da ließ Moses seinen Stab über den Löwen kreisen, und die Löwen legten sich vor ihm nieder und wurden zahm wie Haushunde. Moses beugte sich zu jedem von ihnen nieder und umarmte ihn. Dann machte er sie von den Ketten los, und die Löwen rieben ihren Kopf an seinen Beinen und gingen neben ihm her.
So betraten Moses und Aaron den Palast des Pharaos.
Die Diener fürchteten sich, als sie die Männer mit den Löwen an ihrer Seite sahen, und keiner wagte es, ein Wort zu sagen, und vor Schreck vergaßen sie, den Pharao zu warnen. Moses kannte das Innere des Palastes, hier war er schließlich aufgewachsen. Ohne zu zaudern, schritt er auf die Gemächer des Pharaos zu.
Auch Adikos erschrak. Er wollte nach den Wachen rufen, aber die Löwen rissen ihre Mäuler auf, da blieb er still.
»Kennst du mich denn nicht mehr?« fragte Moses. »Wir haben an einem Tisch miteinander gegessen, und als wir Kinder waren, haben wir unten beim Ufer des Nil miteinander gespielt. Ich bin Moses. Das ist mein Bruder Aaron. Wir wollen mit dir verhandeln. Laß das Volk Israel sich sammeln, damit es in die Wüste ziehe, um seinem Gott ein Brandopfer darzubringen!«
»Ich will nicht mit euch reden«, sagte Adikos. »Geht, geht! Niemand verhandelt mit dem Pharao.«
»Wir werden wiederkommen«, sagte Aaron.
»Wir werden jeden Tag wiederkommen«, sagte Moses.
Moses und Aaron gingen.
»Gott hat ihn mit Sturheit geschlagen«, sagte Moses. »Es ist, wie ich dir gesagt habe.«
Vor dem Palast kettete Moses die Löwen wieder an, beugte sich noch einmal zu jedem nieder und umarmte jeden von ihnen.
»Warum tust du das?« fragte Aaron.
Er fragte, weil es ihn interessierte. Alles, was mein Bruder tut, ist richtig und gut und hat einen Grund, und wenn ich den Grund nicht weiß, dann will ich eben fragen, denn ich möchte meinen Bruder verstehen. So dachte Aaron.
»Die Löwen sind ein Gleichnis für das Volk
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