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Geschichten von der Bibel

Geschichten von der Bibel

Titel: Geschichten von der Bibel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Köhlmeier
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verlassen, dachte er weiter. Vielleicht spricht er von nun an nur noch durch seinen Erzengel zu meiner Schwester Mirjam.
    »Also gut«, sagte er, »vielleicht gibt es einen unter uns, der sich noch daran erinnert, was dem Josef auf seinem Totenbett versprochen worden war.«
    Es gab jemanden. Eine alte Frau, eine urururalte Frau muß es gewesen sein. Sie behauptete, sie sei eine Tochter des Patriarchen Ascher, eines Bruders des Josef.
    »Das kann nicht sein«, tuschelte Aaron seinem Bruder zu. »Entweder sie lügt, oder sie ist verblödet. Wäre sie Aschers Tochter, müßte sie vierhundert Jahre alt sein oder sogar mehr.«
    Moses dachte an all das, was sich ereignet hatte, seit ihm Gott im brennenden Dornbusch erschienen war.
    »Ich will lieber kein Risiko eingehen«, sagte er zu Aaron.
    Man brachte die alte Frau zu den Brüdern.
    »Kannst du dich an Josef erinnern?« wurde sie gefragt.
    »Ich weiß es«, sagte die Alte.
    »Was weißt du?«
    »Ich weiß es. Die Knochen. Es sind die Knochen.«
    »Was für Knochen denn?« wurde sie gefragt.
    »Die Knochen des Josef. Daß sie nicht vergessen werden. Das haben sie ihm versprochen. Daß er nicht allein in Ägypten zurückbleibt, wenn Israel eines Tages das Land verläßt.«
    Niemand wußte, wo Josef begraben worden war. Die Zeit drängte. Der Pharao hatte inzwischen begonnen, seine Armee aufzurüsten. Jeder ägyptische Mann ab dem fünfzehnten Lebensjahr mußte sich melden. Er bekam eine Uniform angezogen und eine Waffe in die Hand gedrückt. Damit war deutlich gemacht, daß der Pharao nicht gewillt war, die Frist auch nur um eine Stunde zu verlängern.
    Aaron rief einen Gelehrtenrat zusammen, und die Gelehrten waren sich nach kurzer Beratung einig, daß es nur eine Möglichkeit gab, herauszufinden, wo Josef begraben worden war.
    »Josef war der Gesalbte Gottes«, sagten die Gelehrten. »Er hatte den Geruch des Paradieses an sich. Und der Geruch des Paradieses vergeht nicht. Über den Geruch können wir das Grab Josefs finden.«
    Moses schüttelte den Kopf und rollte mit den Augen und warf die Arme in die Luft.
    »Ja!« rief er. »Sehr gut! Dann ist es ja ganz leicht! Und wie riecht das Paradies? Weiß bitte jemand, wie das Paradies riecht?«
    Da hoben die Gelehrten die Schultern. »Weiß keiner mehr«, sagten sie. »Tiere vielleicht, Tiere wissen es womöglich. Soviel bekannt ist, haben die Tiere ja nicht vom Baum der Erkenntnis gegessen.«
    Da erinnerte sich Moses an die beiden Löwen, die vor dem Palast des Pharaos Wache hielten. Er hatte ihnen damals ins Ohr geflüstert, er wußte nicht mehr was, aber sie hatten ihm gehorcht. Wenn sie mir gehorcht haben, dachte er, dann darf man annehmen, daß sie mich verstanden haben.
    Allein lief er durch die Stadt zum Pharaonenpalast. Die Löwen sprangen auf, als sie Moses sahen. Er beugte sich zu jedem von ihnen nieder, flüsterte ihnen etwas ins Ohr und machte sie von den Ketten los. Ohne zu zögern liefen die Löwen zum Ufer des Nil. Dort hoben sie die Köpfe und sogen die Luft durch ihre Nase ein.
    »Josef liegt im Nil begraben«, sagte Moses.
    Und so war es.
    Der Pharao war Josefs Freund gewesen, und er war ein Freund des Volkes gewesen, und als Josef gestorben war, hatte er sich gesagt: Dieser Mann hat uns allen Glück gebracht. Er ist wie der Fluß, der durch unser Land fließt. Alles Leben verdankt Ägypten dem Nil.
    Deshalb will ich, daß Josef das schönste Grab bekommt, das es auf unserer Erde gibt.
    So hatte der Pharao vor vielen, vielen Jahren gedacht, und er hatte verfügt, daß der Leichnam des Josef im Nil bestattet wurde.
    Die Männer bargen die Gebeine ihres Ahnen.
    Die Zeit, die Pharao Adikos dem Volk Israel gegeben hatte, war abgelaufen. Sechshunderttausend Männer und die Frauen dazu und die Kinder dazu zogen aus dem Land. Ihnen voran Moses, in einer Holzlade trug er die Gebeine des Josef auf seinen Schultern.

ENTSCHEIDUNG IM ROTEN MEER
    Von Staubsäulen und Feuersäulen – Von der Versöhnung zwischen Moses und Gott – Vom Wortbruch des Pharaos – Von der Notwendigkeit, in der Nacht Wachen aufzustellen – Vom Angriff im Morgengrauen – Von der Teilung des Wassers – Von den zwölf Straßen durch das Meer – Vom großen Untergang – Von einem großen Lied zu Jahwes Ehren
     
    Wer führte das Volk Israel? Gott selbst führte es. Am Tag nahm er die Gestalt einer Staubsäule an, die vor der riesigen Karawane her zog, in der Nacht wurde aus der Staubsäule eine Feuersäule, die den Israeliten den Weg

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