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Geschichten von der Bibel

Geschichten von der Bibel

Titel: Geschichten von der Bibel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Köhlmeier
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zeigte. Moses vertraute auf Gott, die Menschen vertrauten auf Moses.
    Moses ging an der Spitze der Karawane, er trug den Schrein mit den Gebeinen des Josef. Hinter ihm gingen Aaron und Mirjam, dann folgten die Familie des Aaron und Zippora mit den Söhnen. Moses ging weit vor den anderen. Nicht einmal Aaron und Mirjam wagten es, näher als auf Rufweite zu ihm aufzurücken. Die Geschehnisse der letzten Monate, das Grauen, die Katastrophe des Zusammenbruchs aller Zivilisation, ja, auch die versuchten Aufstände gegen Moses hatten das Bild, das das Volk sich von ihm machte, verklärt, erhöht, zuletzt zu einem Heroenbild, spätere Generationen würden sagen: zu einem Heiligenbild geformt. Moses war der Mittler. Er war der Mann, der mit Gott sprach, dem Gott seine Pläne, wenigstens einige seiner Pläne, anvertraute.
    Nach dem Lärm der Stadt und dem Chaos des Bürgerkriegs waren die Stille der Wüste und ihre ewige Gleichförmigkeit Balsam für die verwundeten Seelen, und auch wenn so viele Menschen miteinander waren, hatte doch jeder bei sich die Empfindung, als wäre er allein. Und nur in der Einsamkeit ist der Mensch empfänglich für das Heilige – das ja auch das Heilende ist.
    Moses erging es nicht anders als den anderen. Ja, er war der Mittler. Sein Volk war ihm gefolgt, es hatte auf ihn geflucht, hatte sogar die Hand gegen ihn erhoben, Steine waren geworfen worden, aber zuletzt hatte das Volk seinem Führer vertraut. Und er – er hatte geflucht auf Gott, hatte geweint, hatte sich innerlich gegen Gott empört, hatte sich sogar geschämt für seinen Gott, hatte ihn verurteilt, hatte ihn einen Mörder, einen Schlächter genannt. Aber dann war er ihm doch gefolgt. Und als Moses nun, auf Rufweite vor seinem Volk, durch die Wüste ging, am Tag die Staubsäule vor Augen, in der Nacht die Feuersäule, da schloß er seinen Frieden mit Gott.
    Inzwischen tat es dem Pharao leid, daß er nachgegeben hatte. Jetzt, da Moses nicht mehr vor seinen Augen war, kam es Adikos vor, als wäre der Gott des Moses gar nicht so mächtig, wie er ihm noch vor Tagen erschienen war.
    »Ich hätte noch ein wenig aushalten sollen«, sagte er sich.
    Und diesmal war es nicht Gott, der ihm Sturheit ins Herz legte, diesmal war es sein eigener Entschluß. »Ich werde mich nicht an die Abmachungen halten«, sagte er zu sich.
    »Ich will Rache für meinen Sohn. Ich will Rache für mein Volk. Und wenn ich die Hebräer schon nicht als Sklaven zurückholen kann, so will ich sie in der Wüste vernichten.«
    Jeder Mann, der stark genug war, eine Waffe zu tragen, wurde zur Armee gerufen, auch Knaben, die das fünfzehnte Lebensjahr vollendet hatten, mußten die Uniform anziehen und die Waffe in die Hand nehmen.
    Die Offiziere erklärten, was bevorstand: »Es wird ein kurzer Einsatz sein«, sagten sie. »Erstens haben wir den Vorteil der Überraschung auf unserer Seite. Zweitens kennen wir die Wüste, die anderen kennen sie nicht. Drittens, und das macht die Sache besonders leicht für uns, haben die Israeliten nur wenige Waffen bei sich, nur Dinge für ihre Bequemlichkeit haben sie uns weggenommen, Schmuck und Hausrat.«
    Der Pharao ließ keine Zeit verstreichen, an der Spitze seiner Armee rückte er aus.
    Moses und sein Volk waren währenddessen beim Roten Meer angekommen. Aaron, der in den letzten Wochen ganz selbstverständlich die Verantwortung für alle Erfordernisse des Tages übernommen hatte – Moses war von nun an der unumstrittene geistige Führer Israels –, Aaron hatte beschlossen, daß die Karawane einige Tage am Ufer des Roten Meeres ausruhe, bevor sie auf ihrem Weg weiterzog.
    »Wir wissen nicht, wie weit dieser Weg ist«, sagte er. »Wir müssen vorsorgen. Müssen Kräfte sammeln. Es kann nicht Gottes Wille sein, daß er uns alle Sorge abnimmt. Wäre es so, hätte er uns nicht den Verstand gegeben.«
    Aaron war ein kluger Führer des Volkes. Er nahm es als wahrscheinlich an, daß sich der Pharao an die Vereinbarung hielt. Nicht weil er Adikos als einen besonders vertrauenswürdigen Mann kennengelernt hatte, kam er zu dieser Einschätzung, sondern weil er die Angst in den Augen dieses Mannes gesehen hatte.
    Dennoch rechnete Aaron mit der Unvernunft und dem Wahnsinn. Sein Leben lang hatte er immer gepredigt, daß der Mensch ein im Grunde vernünftiges Wesen sei, hatte aber immer hinzugefügt, daß es dem Menschen oft sehr schwerfalle, sich auf diesen festen Grund zu stellen.
    »Wir werden in den Nächten Wachen aufstellen«, sagte er.
    Da

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